Immer wieder peinliche Pannen im Fall Peggy

München · Der Fall Peggy allein ist eines der größten ungelösten Rätsel in der deutschen Kriminalgeschichte. Eine mögliche Verknüpfung mit den NSU-Terroristen macht den Fall noch mysteriöser – auch weil die Rolle der Ermittler unklar ist.

Die Mutter von Uwe Böhnhardt war sofort sicher. "Das ist absurd", sagte sie dem "Focus", nachdem die Staatsanwaltschaft den angeblichen Fund einer DNA-Spur ihres Sohns beim Leichnam der seit 2001 vermissten Peggy aus Lichtenberg mitgeteilt hatte. Der Mutterinstinkt könnte richtig gewesen sein - in der an Pannen reichen NSU-Mordserie und den ebenso verlaufenen Ermittlungen zum Mordfall Peggy gibt es womöglich neue Polizeifehler. Die Staatsanwaltschaft in Bayreuth und das Polizeipräsidium Oberfranken wollten noch nicht so weit gehen, die Spur von der Verbindung des Rechtsextremisten Böhnhardt zum Mord an der neunjährigen Peggy als komplett widerlegt anzusehen. Das wirft wiederum noch mehr Fragen auf:

Wissen wir nach der Auskunft der Behörden mehr als bisher?

Ja. Immerhin ist jetzt sicher, dass die Ermittler wissen, an welcher Stelle sie genauer hinschauen müssen: nämlich auf die Tatortgruppe der Thüringer Polizei , die mit der Spurensicherung in beiden Fällen befasst war. Bisher hatte die federführende Staatsanwaltschaft in Bayreuth lediglich - ganz allgemein - nicht ausgeschlossen, dass eine Verunreinigung der Grund dafür sein könnte, dass die DNA des mutmaßlichen Rechtsterroristen Böhnhardt am Fundort von Peggys Knochen entdeckt wurde. Jetzt sprechen die Ermittler schon von "möglichen Anhaltspunkten" dafür, dass die Tatortgruppe in beiden Fällen dasselbe Spurensicherungsgerät verwendet habe.

Wie wahrscheinlich ist eine Panne?

Das ist noch unklar. Eine Aussage zur Qualität der Spurensicherung und einer Kontamination können die Ermittler erst nach weiteren Ermittlungen treffen, wie Polizei und Staatsanwaltschaft schreiben. Dafür brauchen sie nach eigenen Angaben vor allem deutlich mehr Zeit.

Gab es schon mal Fehler bei den Fällen Peggy und Böhnhardt?

Ja. Im NSU-Komplex haben sich die Ermittler vor einigen Jahren bereits eine Blamage mit DNA geleistet. Inzwischen wird der Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter am 25. April 2007 in Heilbronn dem "Nationalsozialistischer Untergrund " zugerechnet. Davor aber hatten die Ermittler zwei Jahre lang eine "Frau ohne Gesicht" gejagt - auf Basis der DNA einer Unbekannten. Diese Gen-Spuren am Dienstwagen der Polizistin fanden sie bei mehr als 35 Straftaten, zum Beispiel bei Morden oder Einbrüchen in Gartenhäuser. Im März 2009 räumte das LKA Baden-Württemberg ein: Die Spuren waren durch die Mitarbeiterin einer Verpackungsfirma auf die Wattestäbchen gelangt, die die Polizei bei ihrer Arbeit mit Spuren benutzte. Im Fall Peggy wurde 2004 ein geistig behinderter Mann wegen des Mordes an der Neunjährigen verurteilt. Nach zehn Jahren wurde er aber im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen.

Wie machen die Behörden weiter?

Das Spurensicherungsgerät, das in beiden Fällen eingesetzt wurde, soll jetzt untersucht werden. Das übernimmt eine Stelle, die bisher in den Verfahren noch nicht mit den kriminaltechnischen Untersuchungen befasst war - also auch nicht mit der Untersuchung der DNA-Spuren. Zudem vernehmen die Ermittler nach eigenen Angaben Zeugen, um den genauen Weg der Spur "lückenlos zu überprüfen".

Gibt es Hinweise, dass die DNA-Spur keine Panne gewesen sein könnte - und tatsächlich ein Zusammenhang besteht zwischen Peggy und dem NSU?

Es gibt Spekulationen, aber die Frage soll im Zuge der NSU-Aufklärung ausführlich untersucht werden. Unter anderem die Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx (SPD ), kündigte dies an. Bereits 1993 gab es im Fall eines in Jena getöteten Neunjährigen den Verdacht, Rechtsextreme könnten mit dessen Ermordung zu tun haben. Außerdem ist ein V-Mann des Thüringer Verfassungsschutz, der Neonazi Tino Brandt , 2014 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt worden. Am Mittwoch erst hatte der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, die Hauptangeklagte und mutmaßliche NSU-Komplizin Beate Zschäpe gefragt, was sie dazu weiß. Die Antwort steht noch aus.

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