Im Spritfresser steuerfrei durch die Lande?

Berlin/Saarbrücken. Wer am nächsten Donnerstag den Kaufvertrag für ein neues Auto unterschreibt, kann sich womöglich über einen Erlass der Kfz-Steuer über volle zwei Jahre freuen. Das kann bei großen Fahrzeugen mit viel Hubraum mehrere hundert Euro ausmachen

 Schadstoffarme Neuwagen sollen für eine begrenzte Zeit steuerfrei sein. Foto: dpa

Schadstoffarme Neuwagen sollen für eine begrenzte Zeit steuerfrei sein. Foto: dpa

Berlin/Saarbrücken. Wer am nächsten Donnerstag den Kaufvertrag für ein neues Auto unterschreibt, kann sich womöglich über einen Erlass der Kfz-Steuer über volle zwei Jahre freuen. Das kann bei großen Fahrzeugen mit viel Hubraum mehrere hundert Euro ausmachen. Ein finanzieller Anreiz, der das schleppende Neuwagengeschäft in Deutschland durchaus ankurbeln und der Branche massiven Stellenabbau ersparen könnte. Die Pläne sind Teil der Konjunkturhilfen für die lahmende Wirtschaft.Steuerfreie Geländewagen Die Bundesregierung will den schnellen Kauf schadstoffarmer Neuwagen mit einem Erlass der Kfz-Steuer für bis zu zwei Jahre belohnen und den Kauf aller anderen Neuwagen - auch großer Spritfresser - ein Jahr lang. Schwere Geländewagen würden genauso von der Steuer befreit wie klimafreundliche Kleinwagen. Der Aufschrei von Umweltschützern über die Pläne ist daher groß. Noch ist allerdings nichts entschieden. Schließlich haben die Länder ein gewichtiges Wort mitzureden. Sie verwalten die Kfz-Steuer, ihnen stehen die jährlichen Einnahmen bis zu neun Milliarden Euro zu.Die unverhoffte Konjunkturspritze für die deutsche Autobranche könnte den Staat zwischen 1,2 Milliarden und 1,45 Milliarden Euro kosten. Steuerausfälle werden die Länder ohne Entschädigung nicht hinnehmen. So werden Bund und Länder in den nächsten Tagen noch intensiv über eine Kompensation feilschen, bevor Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) die Pläne nächste Woche der Regierungsrunde unterbreiten kann. Wenn das schwarz-rote Kabinett am Mittwoch den befristeten Steuererlass beschließt, soll dieser praktisch unmittelbar nach der Entscheidung gelten, höchstens aber bis Ende 2010. Wer also sofort einen schadstoffarmen Neuwagen kauft, würde vom maximalen zweijährigen Steuererlass profitieren. Erfolgt der Kauf später, verkürzt sich die Zeit für den geplanten Steuererlass entsprechend. Dahinter steht die Absicht der Regierung, den Autokauf möglichst schnell anzukurbeln und damit der Branche sowie den Beschäftigten unter die Arme zu greifen. "Alles andere wäre kein Konjunkturimpuls", heißt es. Der Erlass solle ein wirksamer Schutz für Arbeitsplätze in der Kfz-Industrie sein, sagte Steinbrücks Sprecher Torsten Albig. Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland etwa 3,2 Millionen Neuzulassungen. Die Deutschen kaufen zwar nach wie vor Autos, stark rückläufig waren zuletzt aber sogenannte Kurzzulassungen. Der Ruf der deutschen Autoindustrie nach massiven Staatshilfen wurde lauter. Die Branche mit 758000 Beschäftigten malt schwarz, erste Hersteller fahren ihre Produktion zurück. Bei solchen Krisenszenarien gehen eigene Versäumnisse schnell unter: Die deutschen Hersteller haben nach Expertenansicht die Entwicklung schadstoffarmer Autos versäumt. Die EU hat Europas Konzernen dafür nun Milliarden-Hilfen versprochen.Klimapolitische AnreizePferdefuß an den neuen Berliner Plänen ist, dass eine klimapolitisch gewollte Steuer, die nach dem Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) gestaffelt wird, deutlichere Anreize für den Kauf von Neuwagen mit modernster Abgastechnik bieten würde als das kurzfristige Festhalten an der Hubraumbesteuerung. Eine solch durchgreifende Reform erfordert aber, dass die Steuer bereits voll in der Hand des Bundes ist. Dann braucht er für die komplizierte Ausgestaltung nicht mehr die Zustimmung aller 16 Bundesländer.Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat der geplanten Übertragung der Kfz-Steuer auf den Bund am Donnerstag grundsätzlich zugestimmt. Der CDU-Politiker fordert aber im Gegenzug eine Kompensation des entsprechenden Betrages aus dem Umsatzsteueraufkommen. Im Jahr 2010 soll die Länder-Steuer ohnehin auf den Bund übergehen, die Länder sollen dann einen festen Ausgleich von jährlich etwa 8,9 Milliarden Euro erhalten. Die Pläne sehen auch vor, dass Besitzer alter "Stinker" nicht stärker belastet werden. Die Kritik der Grünen kam prompt: "Hier wird ein Ausverkauf für Spritfresser organisiert", monierte Fraktionsvize Jürgen Trittin. Und der Naturschutzbund schob nach: "Nach dem jetzt diskutierten Modell könnte zukünftig ein Porsche-Fahrer steuerfrei durchs Land fahren."

HintergrundDie Bundesregierung will der Konjunktur in unsicherer Zeit Halt geben. In der Diskussion sind Maßnahmen, die schnell wirken. Über mögliche Instrumente, die den Haushalt 2009 und 2010 zusätzlich mit je fünf Milliarden Euro belasten, will das Kabinett am Mittwoch entscheiden:CO2-Gebäudesanierung: Die Haushaltsmittel für dieses 2001 aufgelegte Programm aus dem Bundesbauministerium wurden bereits Mitte des Jahres um 500 Millionen auf 1,4 Euro aufgestockt. Am Ende sollen etwa 100000 Jobs gesichert werden. "Investitionspakt": Auch hier wird dem Vernehmen nach im Bauministerium eine Ausdehnung des 600 Millionen Euro umfassenden Programms geprüft. Es startete Anfang 2007. Mit dem Geld können auch Kommunen in schwieriger Haushaltslage Schulen, Turnhallen und Kindergärten instand setzen.Verkehrsinvestitionen: Eine Milliarde Euro zusätzlich sollen größte Engpässe bei Ausbau und Sanierung vor allem von Autobahnen und Schienennetz beseitigen. Abschreibungen: Für Firmen soll es bei Neuanschaffungen wieder Steuererleichterungen geben. So könnte die erst Anfang 2008 abgeschaffte degressive Abschreibung für die Nutzung von Wirtschaftsgütern wieder eingeführt werden. dpa

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