Homo-Ehe bringt Union in die Zwickmühle

Berlin. Angela Merkel setzt auf eine bewährte Methode: ein Schritt nach dem anderen, nicht zu schnell vorpreschen. Nein, eine steuerliche Gleichsetzung homosexueller Paare mit der Ehe will die CDU nicht vorantreiben - das machte das Präsidium gestern unter Leitung der Parteichefin und Kanzlerin von höchster Stelle klar

Berlin. Angela Merkel setzt auf eine bewährte Methode: ein Schritt nach dem anderen, nicht zu schnell vorpreschen. Nein, eine steuerliche Gleichsetzung homosexueller Paare mit der Ehe will die CDU nicht vorantreiben - das machte das Präsidium gestern unter Leitung der Parteichefin und Kanzlerin von höchster Stelle klar. Auch wenn seit Tagen durchaus andere Signale führender Christdemokraten auszumachen sind.Dafür wird in der CDU jetzt lauter über ein Familiensplitting geredet, das Steuervorteile stärker mit Kindern verbindet. Doch auch dies könnte der Partei noch Ärger bringen.

Die Spitze der Unionsfraktion um den Vorsitzenden Volker Kauder (CDU) hatte erst vor einer Woche angedeutet, man könnte einer für den Sommer erwarteten Steuer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts doch vorgreifen. Steuerrechtliche Konsequenzen aus dem jüngsten Adoptions-Urteil aus Karlsruhe sollten zumindest geprüft werden. So wollte man dem Eindruck entgegenwirken, die Union lasse sich dauernd von Karlsruhe treiben.

Eine Welle der Entrüstung folgte, mancher Stammwähler erklärte seinen Austritt. Der konservative Flügel warnte, nach dem Aus für Wehrpflicht und Atomkraft könne der nächste Baustein des Wertefundaments der Union geschleift werden: Ehe und Familie. Im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin wurde das Echo registriert, auch wenn bei anderen Reiz-Themen schon 2000 statt wie jetzt 200 Mails in der Zentrale eingingen.

Die Parteispitze um Merkel will das Gleichstellungsthema möglichst aus dem Wahlkampf heraushalten. Doch schon am 12. März wird die Bundestagsfraktion erneut diskutieren, wie die Union mit der Gleichstellung lesbischer und schwuler Paare umgehen soll. Spätestens wenn Karlsruhe im Sommer zur Steuergleichstellung entscheidet, folgt die nächste Runde der Debatte. Dafür wird schon die Opposition sorgen. Auch der Koalitionspartner FDP wittert einen Wahlkampfschlager und drückt für eine Gleichstellung aufs Tempo.

Doch die CSU hatte schon vor Tagen ihr Veto eingelegt: Eine Steuer-Gleichstellung sei mit ihm bis zum Sommer nicht zu machen, egal, was Karlsruhe entscheide, polterte Parteichef Horst Seehofer. Spätestens da dürften Merkel & Co. klar gewesen sein, dass ein Vorpreschen nicht infrage kommt.

Merkel ist in einer Zwickmühle: An einer Umsetzung der Karlsruher Richtersprüche kommt man nicht vorbei. Doch viele Stammwähler dürften vergrault sein, wenn die klassische Ehe nicht als Kompensation auf andere Weise gestärkt wird - etwa über zusätzliche Rentenpunkte für ältere Mütter. Wenn sich Merkel und die CDU aber beim Thema Gleichstellung zu sehr zurückhalten, dürfte dies vor allem in Großstädten schwer zu erklären sein. Und das angesichts der Tatsache, dass die Union schon bisher kaum ein Mittel findet, ihren jahrelangen Niedergang in Metropolen zu stoppen.

Bei dem Spagat soll ein Signal an Familien mit Kindern helfen. Es werde darum gehen, wie Kinder im System der Familienbesteuerung bessergestellt werden könnten, gab Finanzminister Wolfgang Schäuble erneut die Richtung vor. Ein "Familiensplitting" in Ergänzung zum Ehegattensplitting sei denkbar - der Steuervorteil könne dabei an der Zahl der Kinder orientiert sein. Auch Fraktionschef Kauder gab sich dafür offen, er möchte unbedingt ein Signal an Eltern senden.

Doch beim Familiensplitting, so mahnen sie in der Union, gibt es gesetzestechnische Fußangeln. Abgrenzungsfragen etwa bei Unterhaltsverpflichtungen gegenüber anderen Kindern in Patchwork-Familien müssten berücksichtigt werden. Und auch wenn Schäuble dem Vernehmen nach Finanzierungsvarianten durchrechnet: Der Union könnte mitten im Wahlkampf ein Aufschrei aus den Reihen kinderloser Eheleute drohen. Denn irgendwo müsste das Geld für eine besondere Förderung der Kinder ja herkommen. Vor der Wahl wird das Familiensplitting schon allein aus Fristgründen nicht mehr umgesetzt werden.

Befeuern könnte die Debatte auch eine gestern gestartete Mitmach-Aktion der Union zum Regierungsprogramm. Unter dem Motto "Was mir am Herzen liegt" sollen Bürger der CDU Wünsche und Vorschläge schreiben. Befürworter wie Gegner einer Gleichstellung der Homo-Ehe könnten die Einladung beim Wort nehmen.

Hintergrund

In Deutschland gab es im Jahr 2011 etwa 67 000 gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften. Ihre Zahl ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes seit 1996 um rund 29 000 gestiegen. 2011 gab es 27 000 Lebensgemeinschaften von Frauen und 40 000 von Männern. 40 Prozent (27 000) der gleichgeschlechtlichen Paare lebten in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

In den gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften lebten ganz überwiegend keine Kinder (in 63 000 von den rund 67 000). Nur etwa 7000 Kinder, davon 6000 unter 18 Jahren, wohnten bei Elternteilen gleichen Geschlechts. dpa

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