Der heimliche Favorit
Theley. Wird ein Kardinal mit saarländischen Wurzeln Papst? Der 63-jährige Erzbischof von São Paulo, Odilo Pedro Scherer, gilt im Vatikan angeblich als Favorit für die Nachfolge Benedikts XVI. So war es unter anderem in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und in der "Bild"-Zeitung zu lesen
Theley. Wird ein Kardinal mit saarländischen Wurzeln Papst? Der 63-jährige Erzbischof von São Paulo, Odilo Pedro Scherer, gilt im Vatikan angeblich als Favorit für die Nachfolge Benedikts XVI. So war es unter anderem in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und in der "Bild"-Zeitung zu lesen. Der Urgroßvater des Kardinals stammte aus Theley und wanderte um 1880 nach Brasilien aus. Scherer habe beste Voraussetzungen, so will die FAZ aus "gut informierten Kreisen" erfahren haben. Zum einen wollten viele der angereisten Kardinäle aus aller Welt einen Papst wählen, der nicht aus Italien komme. Der Brasilianer sei Favorit, weil er "von 1994 bis 2001 in der Bischofskongregation Kurienerfahrungen gemacht habe, aber nicht mehr zur Kurie gehöre", schreibt das Blatt weiter. Außerdem gelte er als "begnadeter Seelsorger, aber könne auch verwalten; er sei in Amerika und Europa zu Hause". Die "Bild"-Zeitung hält es indes für ein großes Plus, dass Scherer aus dem Land kommt, in dem mit 137 Millionen weltweit die meisten Katholiken leben.Nicht nur im saarländischen Theley ist die Spannung nun verständlicherweise groß. "Deutsch-Brasilianer wissen zu schätzen, was Heimat ist", weiß die 83-jährige Mathilde Ludwig. Sie und ihre Familie bieten seit über 60 Jahren Menschen aus aller Welt in Theley Tisch und Bett. Der Großteil der Gäste im "Casa do Brazil" stammt aus dem südamerikanischen Land. Ende der 1950er Jahre waren es zunächst Nachkommen von ehemaligen Auswanderern, die Quartier bei Familie Ludwig bezogen. Und auch der heutige Kardinal Odilo Scherer wollte mehr erfahren über seine Wurzeln. Er kam 1983 zusammen mit dem Großneffen von Mathilde Ludwig, Jacinto Bergmann, nach Theley.
Es folgten weitere Besuche im Jahr 1984, 1987 und 2003. Jedes Mal hat sich Scherer ins Gästebuch der Familie eingetragen. Die zunehmende Verbundenheit zwischen dem Deutsch-Brasilianer und den Ludwigs wird in den Einträgen deutlich. "Liebe Tante Mathilde", schreibt der Geistliche auf Deutsch. "Die Zeit vergeht, aber die liebe Aufnahme bei Dir zuhause wird immer tiefer." Auch nachdem Odilo Scherer 2001 zum Weihbischof in São Paulo, der größten Diözese Brasiliens, ernannt wurde, blieb der Kontakt bestehen. Mathildes Sohn Herbert Ludwig wurde 2007 eine besondere Ehre zu Teil. Er zählte zu den 15 Angehörigen, die Odilo Scherer nach Rom eingeladen hatte, als dieser von Papst Benedikt XVI. zum Kardinal ernannt wurde. Dass Scherer bereits kurze Zeit nach seiner Bischofsweihe zum Kardinal ernannt wurde, habe damals für Spekulationen gesorgt. "Unter der Hand hieß es, Papst Benedikt habe das so arrangiert. Odilo galt als sein Ziehsohn und möglicher Nachfolger."
So war Herbert Ludwig gestern denn auch wenig überrascht, als er aus den Medien erfuhr, dass Scherer tatsächlich als Favorit für die Papst-Wahl gehandelt wird. "Wenn ich eins und eins zusammenzähle, was die Welt braucht und welche Qualitäten Odilo mitbringt, dann passt das gut zusammen", so Ludwig. Er beschreibt Odilo Scherer als einen bescheidenen Mann, dem die Nähe zu den Menschen wichtig sei. Als Papst wäre Odilo Scherer eine Mischung aus Karol Wojtyla und Joseph Ratzinger, meint Ludwig. "Das würden sicher viele Gläubige gut finden." Der 63-jährige Kardinal sei jemand, der etwas verändern wolle - aber von innen heraus. Würde die Wahl tatsächlich auf ihn fallen, so würde Scherer die Aufgabe gerne annehmen, da ist sich Ludwig sicher. Dennoch bleibt ein Zweifel in der Familie, ob man dem Kardinal aus São Paulo das Papst-Amt tatsächlich wünschen sollte. "Nicht, dass er das nicht schaffen würde", sagt Mathilde Ludwig besorgt. "Aber es würde ein unglaublicher Druck auf ihm lasten." Noch vor Ostern will der Vatikan den neuen Papst präsentieren. Bis dahin verfolgt Familie Ludwig jede Nachricht über ihren Odilo mit Spannung und Sorge. "Ich bete zum Heiligen Geist, er soll die Sache richtig entscheiden", sagt die 83-Jährige.
ZUR PERSON
Kardinal Odilo Pedro Scherer wurde am 21. September 1949 in Cerro Largo im Bundesstaat Rio Grande do Sul in Brasilien als Otto Scherer geboren. Sein Vater Edwino Scherer und seine Mutter Francisca (geborene Steffens) hatten insgesamt elf Kinder. Odilo Scherers Urgroßvater stammte aus Theley und wanderte um 1880 nach Südamerika aus.
1976 wurde Odilo Pedro Scherer zum Priester geweiht, 2001 zum Bischof. Am 21. März 2007 ernannte Papst Benedikt XVI. Odilo Pedro Scherer zum Erzbischof von São Paulo. Scherer ist ein Neffe von Alfredo Vicente Kardinal Scherer. evy