Höhenrausch im freien Fall

Saarlouis. Eine schwarz-rot-goldene Schneeflocke fällt vom Himmel Arizonas. Genau vier Sekunden schwebt sie über der staubigen Wüste, dann zersplittert das kunstvolle Gebilde in bunte Kleckse: Es sind 200 Fallschirmspringer, die unter der gleißenden Sonne Richtung Erde gleiten. Ihr 13

 Ein schwarz-rot-goldenes Ornament schwebt vom Himmel: 200 Fallschirmspringer über einer Wüstengegend von Arizona. Fotos: Lauer

Ein schwarz-rot-goldenes Ornament schwebt vom Himmel: 200 Fallschirmspringer über einer Wüstengegend von Arizona. Fotos: Lauer

Saarlouis. Eine schwarz-rot-goldene Schneeflocke fällt vom Himmel Arizonas. Genau vier Sekunden schwebt sie über der staubigen Wüste, dann zersplittert das kunstvolle Gebilde in bunte Kleckse: Es sind 200 Fallschirmspringer, die unter der gleißenden Sonne Richtung Erde gleiten. Ihr 13. Versuch ist endlich geglückt: Mit der riesigen Freifall-Formation haben die deutschen Springer einen neuen nationalen 200er-Rekord aufgestellt. Mit von der Partie sind auch acht gebürtige Saarländer des Fallschirmsportverbands (FSV) Saar, die damit zur Springer-Elite Deutschlands zählen; denn solch ein Massensprung verlangt absolute Körperbeherrschung und Präzision. "Unsere Leute mussten vor ihrer Teilnahme erst mal ein Selektionsspringen bestehen", berichtet der FSV-Vorsitzende Helmut Bastuck. Ihre Rekord-Aufgabe: in 6000 Metern Höhe das Absetzflugzeug verlassen, sich zur Großformation verschlingen, wieder auflösen und sicher auf dem sandigen Boden landen - "alles in gerade mal 90 Sekunden", sagt Bastuck. "Für so ein Vorhaben sind nur die Besten geeignet."

So wie Eva Schumann, die einzige Frau im saarländischen Rekordhalter-Team. Schon seit 30 Jahren ist die 49-Jährige dem Höhenrauschs verfallen. Dennoch: Der Rekordversuch auf dem größten Sprungplatz der Welt war für die erfahrene Sportlerin ein ganz besonderes Erlebnis. "Es war einfach nur schön", schwärmt die Wallerfangerin. "Die Bedingungen in Eloy waren perfekt. Auch die Qualität der Sprünge hat gestimmt." Schumann muss es wissen: Sie ist Mitinhaberin des aktuellen Frauen-Weltrekords im Freifall-Formationsspringen und hat bis jetzt etwa 3200 Sprünge auf dem Konto.

Für den 200er-Versuch kamen noch ein paar hinzu: Trotz Routine absolvierte die saarländische Fallschirmspringerin einige Trainingseinheiten - allerdings nicht auf der heimischen FSV-Anlage in Saarlouis-Düren: "Dafür sind unsere Flugzeuge zu klein", sagt Schumann. Sie übte mit einer kleinen Truppe im hessischen Luftgebiet über Kassel.

"In der Formation ist mein Sektor schwarz. Ich befand mich in der zweitäußeren Reihe", beschreibt die Sportlerin ihre Position. Dieser Platz erfordert ein gutes Gespür für Geschwindigkeit: "Die Basis, also die inneren Springer, sind schon weit weg, wenn die äußeren aussteigen", erklärt Schumann. "Wir müssen deshalb schneller fallen und abbremsen, wenn wir mit den anderen auf Höhe sind."

Teamarbeit ist also entscheidend. Ein kollektives Training der 200 deutschen Rekordanwärter gab es vor der Reise nach Arizona aber nicht. Und auch die FSV-Sportler feierten ihr vereinsinternes Wiedersehen erst in Eloy. Denn nur drei von ihnen leben noch im Saarland; die restlichen Fallschirmspringer hat es buchstäblich in alle Winde verstreut.

So wie Markus Wolf, der aus Saarbrücken stammt, jetzt aber in München lebt. "Für mich gibt es aber keinen Grund, aus dem FSV auszutreten", sagt der 36-Jährige, der im roten Sektor des Hauptorganisators FSC Dädalus aus Eisenach mitflog. "Der Kontakt ins Saarland besteht immer noch" - eben auch über seinen Verein, dem Wolf vor sechs Jahren beitrat. Der leidenschaftliche Formationsspringer fand damals über die Bundeswehr zu seinem Sport und ist mittlerweile ebenfalls aktueller Rekordinhaber - mit der größten Freifall-Truppe der Welt. Ein gesondertes Training hatte Wolf daher für den nationalen Rekordversuch nicht angesetzt. "Ich halte mich durch solche Großveranstaltungen in Übung", sagt er und lacht.

Gelegenheit zum Üben bietet sich den Sportlern in Arizona dann auch zur Genüge. Zwölf Mal steigen die neun Absetzflugzeuge in der flirrenden Luft nach oben, fliegen geschlossen über die karge Ebene des Pinal County. Zwölf Mal spüren die Springer den Adrenalin-Kick im freien Fall, bevor sie wieder auf dem harten Wüstenboden landen - staubbedeckt und ohne Rekord. Zwar gelingt es ihnen, Formationen zu bilden; aber das Verketten der einzelnen Glieder scheitert. Dann setzen die Fallschirmsportler zu ihrem 13. Sprung an. Fallen, ineinander greifen - und festhalten. Eineinhalb Jahre Vorbereitung und Planung, nur für diese vier Sekunden. Zwei Atemzüge, und die Schneeflocke löst sich auf, zerschmilzt in 200 farbige Tropfen, die der Wind davonträgt. Aber diesmal haben es die Fallschirmspringer geschafft. Der Rekord steht.

Auf einen Blick

 Eva Schumann

Eva Schumann

 Markus Wolf

Markus Wolf

Im November stellten 200 deutsche Fallschirmspringer in Eloy/Arizona (USA) einen neuen nationalen Fallschirm-Rekord auf. An dem erfolgreichen 13. Versuch waren auch acht gebürtige Saarländer beteiligt: Eva Schumann, Max Schreiner, Roman Bodtländer, Markus Wolf, Michael Reinert, Christian Schlichting, Uwe Rospert und Ralf Bissbort sprangen für den Fallschirmsportverband (FSV) Saar in die Tiefe. Der FSV ist der einzige Fallschirmsportverband des Saarlandes und mit über 200 Mitgliedern der zweitgrößte Verband bundesweit. cél

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