"Gefährlichster Mann Europas" fühlt sich bestätigt

Sie haben 1998 im Bundesrat der Einführung des Euro zugestimmt. Was ist falsch gelaufen?Lafontaine: Man hat den Vorschlag Jacques Delors' nicht übernommen, mit der Einführung des Euro auch eine europäische Wirtschaftsregierung zu bilden, die die Finanz- und Lohnpolitik der beteiligten Länder koordiniert. Deshalb haben wir jetzt die Verwerfungen, die damals vorausgesagt wurden

Sie haben 1998 im Bundesrat der Einführung des Euro zugestimmt. Was ist falsch gelaufen?

Lafontaine: Man hat den Vorschlag Jacques Delors' nicht übernommen, mit der Einführung des Euro auch eine europäische Wirtschaftsregierung zu bilden, die die Finanz- und Lohnpolitik der beteiligten Länder koordiniert. Deshalb haben wir jetzt die Verwerfungen, die damals vorausgesagt wurden.

Als sie Finanzminister waren, wurden sie von der britischen "Sun" deswegen als der "gefährlichste Mann Europas" bezeichnet. Fühlen Sie sich bestätigt?

Lafontaine: Dieser Titel bezog sich auf meinen Vorschlag, die Finanzmärkte an die Kette zu legen. Ja, ich fühle mich bestätigt, denn der Handel mit Giftpapieren, insbesondere mit Kreditausfallversicherungen, ist eine der Ursachen der aktuellen Krise.

Ist Griechenland nicht ein Beweis dafür, dass eine Schuldenbremse sinnvoll ist, wie sie Deutschland hat?

Lafontaine: Die beste Schuldenbremse ist Wirtschaftswachstum. Wer aber bei einem Rückgang der Wirtschaftskraft noch weiter spart oder wegen einer Schuldenbremse sparen muss, der wird Opfer des Sparparadoxons werden, wie es die Wirtschaftswissenschaftler nennen: Der erhöht damit noch seine Schulden, wie Hans Eichels Sparen zum falschen Zeitpunkt gezeigt hat.

Aber wer nicht spart, wird Opfer der Rating-Agenturen.

Lafontaine: Deswegen ist natürlich auch eine Überschuldung zu vermeiden. Nur eben nicht mit einer Wirtschaftspolitik, die den Aufschwung abwürgt. Deutschland ist einer der Hauptsünder im Eurosystem. Es betreibt Lohndumping und verursacht so ökonomische Ungleichgewichte. Die Konsequenz wäre jetzt, hierzulande die Löhne endlich wieder so steigen zu lassen, wie die Produktivität steigt. In Griechenland sollten die Löhne nicht länger stärker steigen, als es der Produktivitätszuwachs erlaubt.

Unterstützen Sie die Hilfe der Eurozone und des IWF?

Lafontaine: Ich sehe dazu kurzfristig keine Alternative. Aber wir verlangen, dass die Profiteure an den Finanzmärkten, die die jetzige Situation mit verursacht haben, an der Rechnung beteiligt werden. Ich meine die Banken. Es ist geradezu obszön, dass die Deutsche Bank sich mal wieder mit einem Rekordgewinn brüstet, der auch die Folge der Spekulation gegen Griechenland ist.

Die Alternative wäre, Griechenland aus der Eurozone zu drängen.

Lafontaine: Das verkennt komplett, dass gerade Deutschland mit seinen Exporten von der Eurozone lebt. Der bessere Weg ist es, Griechenland jetzt kurzfristig zu helfen. Dass Angela Merkel das wegen der Nordrhein-Westfalen-Wahl künstlich verzögert, hat schon Schaden genug angerichtet. Dadurch ist die Spekulation gegen Griechenland weiter gegangen, und es sind die Zinsen gestiegen. Das hat viele Millionen Euro gekostet.

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