Schäuble unter verschärfter Beobachtung

Oben auf dem Podium beim Steuerkongress des Zentralverbandes des Handwerks hat er sich lediglich ein paar muntere Anspielungen auf das griechische Finanzdesaster erlaubt. Aber jetzt beim Verlassen der Veranstaltung muss er doch noch etwas in die zahlreichen Kameras sagen zu Rating-Agenturen, zur Lage in Griechenland, zu künftigen Regeln für Staatsinsolvenzen

Oben auf dem Podium beim Steuerkongress des Zentralverbandes des Handwerks hat er sich lediglich ein paar muntere Anspielungen auf das griechische Finanzdesaster erlaubt. Aber jetzt beim Verlassen der Veranstaltung muss er doch noch etwas in die zahlreichen Kameras sagen zu Rating-Agenturen, zur Lage in Griechenland, zu künftigen Regeln für Staatsinsolvenzen. Wolfgang Schäuble ist in diesen Tagen Angela Merkels wichtigster Mann. Auch wenn es ihn sichtlich anstrengt.Der deutsche Finanzminister steht unter verschärfter Beobachtung. Der Geldmärkte, weil jedes Wort von ihm in diesen Zeiten den Euro nach oben oder unten treiben kann. Der Opposition, die auf Schwächen lauert. Und auch der eigenen Partei. Aus der wurde in letzter Zeit über seinen Gesundheitszustand spekuliert, weil er lange krank war. War das der Grund für seine ungewohnte Unsicherheit? Noch vor wenigen Wochen stand er für den Satz: "Griechenland muss sich selbst helfen." Und er wollte anders als Angela Merkel keine Lösung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), sondern einen eigenen europäischen Währungsfonds einschalten. Aber nicht nur der Finanzminister ist in der Kritik. Auch das Zögern der Bundeskanzlerin wird von Wirtschaftsexperten angegriffen. Die Deutschen, so Gustav Adolf Horn, Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie, hätten sich darin gefallen, eine rasche Antwort auf die Krise Griechenlands zu verhindern - "und damit den Preis für eine Lösung fulminant in die Höhe getrieben". Ähnlich der Wirtschaftsweise Peter Bofinger: "Flickschusterei", ja "Unbeholfenheit" wirft er der Bundesregierung vor.Zumindest das mit der Unbeholfenheit ist nicht ganz zu bestreiten. So können sich selbst Berliner Regierungskreise nicht erklären, wie Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) am Mittwoch auf 135 Milliarden Kreditbedarf für Griechenland kam und warum er diese Zahl aus dem fernen Brasilien in die allgemeine Verunsicherung warf. Die Chefs von IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) nannten einen solchen Betrag bei ihren Treffen mit Merkel und Schäuble jedenfalls nicht, sondern sprachen von 100 bis 120 Milliarden Euro, je nach Verlauf. Und auch der Vizekanzler Guido Westerwelle machte keine gute Figur, weil er noch am Montag vor einer raschen Hilfszusage warnte. Zwei Tage später bettelte seine eigene Regierung bei der Opposition um Zustimmung für eine Beratung im Eilverfahren.Merkel wollte von Anfang an den IWF ins Boot holen, auch aus Skepsis gegenüber der EU-Kommission. Die hatte sich nämlich nicht als ein besonders strenger Kontrolleur erwiesen und 2007 ein erstes Defizitverfahren gegen Griechenland sang- und klanglos verstreichen lassen. Dass Schuldenländer wie Spanien und Italien die Angelegenheit rein europäisch regeln wollten - wobei letztlich der Hauptzahlmeister immer Deutschland ist - mag die Kanzlerin zusätzlich motiviert haben. Zudem hat der IWF Erfahrung mit der Sanierung von Staatshaushalten, etwa in Ungarn oder Lettland. Zweitens saß Merkel nicht nur die Bild-Zeitung ("Ihr Griechen, ihr griecht nix von uns") im Nacken, sondern auch die Sorge, verfassungsrechtlich zu scheitern. Schließlich ist es der EU verboten, für Verbindlichkeiten regionaler oder lokaler Gebietskörperschaften einzuspringen. Merkels Linie war daher, dass es Hilfe nur als "Ultima ratio" geben könne, als letztes Mittel. Eine Bedingung freilich, die sozusagen die Zuspitzung der Krise zur Voraussetzung macht, um etwas gegen sie zu unternehmen - ein Paradoxon.Fraglich ist, ob die Opposition jetzt dem unpopulären Kreditpaket zustimmt oder ob sie die Regierung so kurz vor der NRW-Wahl mit der Verantwortung allein lässt. Einstweilen kritisiert sie an den operativen Mängeln herum. Als Schäuble den Steuerkongress des Handwerks längst verlassen hat, diskutieren dort die Haushälter der Fraktionen: "Es war seit Wochen klar, dass Griechenland Hilfe braucht", so der Grüne Gerhard Schick. Der Öffentlichkeit sei etwas vorgemacht worden. Die Kanzlerin habe kräftig zur Verunsicherung beigetragen, sagt die Linke Barbara Höll. Und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wettert: Im Wettlauf mit den Finanzmärken sei die Regierung auch wegen der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen "zunächst gar nicht, dann zu spät gestartet".

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