Freie Fahrt für den "Schnüffeldienst"? "Widerspruch muss auf Dauer möglich sein"

Berlin. "Schnüffeldienst" und "Big Brother auf Rädern": Der Ruf von Googles Straßenansicht Street View ist in Deutschland denkbar schlecht - und das, obwohl sie hier noch nicht verfügbar ist. Andere Länder stören sich dagegen praktisch gar nicht an der Funktion, die über den Kartendienst Google Maps erreichbar ist

 Ein Bildschirmfoto von Google Street View zeigt die McAllister Street in San Francisco. Das Internet-Unternehmen startet seinen umstrittenen Kartendienst bis Ende des Jahres auch in der Bundesrepublik - zunächst aber nur in 20 Städten. Viele Deutsche haben Bedenken wegen des Datenschutzes. Foto: dpa

Ein Bildschirmfoto von Google Street View zeigt die McAllister Street in San Francisco. Das Internet-Unternehmen startet seinen umstrittenen Kartendienst bis Ende des Jahres auch in der Bundesrepublik - zunächst aber nur in 20 Städten. Viele Deutsche haben Bedenken wegen des Datenschutzes. Foto: dpa

Berlin. "Schnüffeldienst" und "Big Brother auf Rädern": Der Ruf von Googles Straßenansicht Street View ist in Deutschland denkbar schlecht - und das, obwohl sie hier noch nicht verfügbar ist. Andere Länder stören sich dagegen praktisch gar nicht an der Funktion, die über den Kartendienst Google Maps erreichbar ist. Warum sind die Deutschen so widerborstig? Eine Spurensuche. Ob in Frankreich, Italien oder den USA: Große Diskussionen hat es in praktisch keinem der 24 Länder gegeben, in denen der Dienst verfügbar ist - sieht man von der Schweiz ab. Wohl durchforsteten die Nutzer nach dem Start die Straßen nach peinlichen, lustigen und skurrilen Bildern - ein bisschen Voyeurismus muss sein. Fotos von Zäune erklimmenden Einbrechern, nackten Sonnenanbetern und Männern auf dem Weg aus dem Stripclub füllen ganze Bildergalerien im Netz. Die lauten Proteste hierzulande führt Google selbst auf das besonders ausgeprägte Datenschutz-Bewusstsein der Deutschen zurück. Mit zwei totalitären Systemen habe das Land eine "schlimme und komplizierte Vergangenheit", sagte Peter Fleischer, Datenschutzbeauftragter des Konzerns, im April. "Ich wäre erstaunt, wenn die Deutschen nicht eine starke Sensibilität für Datenschutz hätten." Er meint zudem, dass sich einige Politiker und Datenschützer auf Kosten des Internet-Giganten profilieren wollen - so etwas wie Street View eignet sich dazu besonders gut. Zum schlechten Ruf hat Google indes auch selbst beigetragen. Zum einen mit seinem Hauruck-Verfahren: Wer nicht will, dass sein Haus im Netz zu sehen ist, muss selbst Einspruch einlegen. Lange sollte das nur über ein Online-Formular möglich sein. Viele Internet-abstinente Bürger waren verunsichert. Zudem stattete der Internet-Riese seine Street-View-Autos nicht nur mit auffälligen Kamera-Konstruktionen für die Rundum-Bilder aus, sondern auch mit weitaus unauffälligeren Scannern für WLAN-Netzwerke. Sie erfassten unter anderem, wo welche Funkstationen stehen. Solche Netzdaten ermöglichen es, mit Handys oder Navis die Position zu bestimmen, auch ohne GPS-Empfänger. Als bekannt wurde, dass das Unternehmen die Funklandschaft vermisst, ließ die Kritik von Politikern und Datenschützern nicht auf sich warten. Mit der demnächst verfügbaren Straßenansicht hat das zwar nichts zu tun, außer dass die Street-View-Autos die Daten gesammelt haben. Dem Ruf des Dienstes schadete es dennoch. Noch lauter wurde die Kritik, als das Unternehmen kleinlaut zugab, dass es nicht nur die Standorte der Funkstationen, sondern auch persönliche Daten von Nutzern gesammelt hatte. "Das war ein Fehler, den wir zutiefst bedauern und für den wir um Entschuldigung bitten", sagte ein Google-Sprecher. Der Internet-Riese stellte daraufhin weltweit alle Fahrten mit dem Kamera-Autos ein. Erst seit Juli sind sie wieder unterwegs, jedoch nicht in Deutschland. Was einige Menschen Google zutrauen, machte eine Satiresendung deutlich: Reporter der "heute-show" im ZDF gaben sich als Mitarbeiter des Unternehmens aus, die für den angeblichen neuen Dienst "Home View" die Schlafzimmer der Deutschen fotografieren wollten. Jeder Dritte habe die Macher hereingelassen, resümierte Chef-Satiriker Martin Sonneborn kürzlich. Denn längst nicht alle Deutschen lehnen den Dienst ab. Nach Angaben von Google greifen viele auf die Straßenansichten im Ausland zu, etwa um den Urlaub zu planen. Google will Street View noch in diesem Jahr in Deutschland starten. Sind die wichtigsten datenschutzrechtlichen Bedenken ausgeräumt?Schaar: Sagen wir es mal so: Ich freue mich, dass das Unternehmen auf die Anforderungen des Datenschutzes in Europa reagiert hat. Und ich hoffe, dass die entsprechenden datenschutzrechtlichen Vorgaben der zuständigen Aufsichtsbehörde in Hamburg von Google Punkt für Punkt umgesetzt werden.Welche sind denn das?Schaar: Neben der Gewährleistung eines datenschutzgerechten Widerspruchsverfahrens müssen Gesichter und Kfz-Kennzeichen verpixelt werden, damit man die Personen nicht identifizieren kann. Dies gilt nicht nur für die Darstellung der Aufnahmen im Internet, sondern auch für die Rohdaten, die in den USA gespeichert werden. Das ist wichtig.Sie sprechen den Widerspruch an - vier Wochen räumt der Konzern ein. Welches Vorgehen erwarten Sie?Schaar: Ich halte es zunächst für ein positives Signal, dass Google zugesagt hat, Widersprüche gegen die Darstellung des eigenen Hauses in Google Street View zu berücksichtigen. Der Widerspruch darf aber nicht nur auf ein enges Zeitfenster begrenzt, sondern muss auf Dauer möglich sein. Das Verfahren muss zudem so gestaltet sein, dass sowohl Internetnutzer als auch Betroffene, die das Internet nicht nutzen, ihr Widerspruchsrecht ausüben können.Wie soll das funktionieren?Schaar: Ganz einfach: Neben dem Widerspruchstool im Internet muss auch die Möglichkeit gegeben sein, den Widerspruch schriftlich einzulegen. Hilfreich wäre es auch, wenn Google den Betroffenen eine telefonische Hotline zur Verfügung stellen würde.Aber darf Google auch starten, wenn noch nicht alle Widersprüche abgearbeitet sind?Schaar: Es muss vor Inbetriebnahme des Dienstes gewährleistet sein, dass sämtliche bis dahin eingelegten Widersprüche abgearbeitet werden. Außerdem darf es nicht dazu kommen, dass Google die persönlichen Daten, die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens anfallen, auf Dauer zentral speichert oder zu anderen Zwecken verwendet.Das heißt doch aber, es gibt nach wie vor offene Fragen, die geklärt werden müssen. Oder?Schaar: Ja! Eine offene Frage ist zum Beispiel, wie Google die Vorgaben der europäischen Datenschutzrichtlinie gewährleistet. Fraglich ist auch, ob und welche unabhängige Stelle eigentlich die in den USA gespeicherten Rohdaten kontrolliert.

 Ein Bildschirmfoto von Google Street View zeigt die McAllister Street in San Francisco. Das Internet-Unternehmen startet seinen umstrittenen Kartendienst bis Ende des Jahres auch in der Bundesrepublik - zunächst aber nur in 20 Städten. Viele Deutsche haben Bedenken wegen des Datenschutzes. Foto: dpa

Ein Bildschirmfoto von Google Street View zeigt die McAllister Street in San Francisco. Das Internet-Unternehmen startet seinen umstrittenen Kartendienst bis Ende des Jahres auch in der Bundesrepublik - zunächst aber nur in 20 Städten. Viele Deutsche haben Bedenken wegen des Datenschutzes. Foto: dpa

HintergrundDer Name sagt es schon: Street View soll einen Blick auf ganze Straßenzüge erlauben. Die Funktion ergänzt den Kartendienst Google Maps. Dort können Nutzer klassische Karten und Satellitenaufnahmen abrufen. Die Panorama-Aufnahmen für Street View sind sehr detailliert. Gezeigt wird im Prinzip alles, was auch auch im echten Leben zu sehen ist. Gesichter von Passanten und Kennzeichen von Autos macht das Unternehmen aus Kalifornien aber mit einer Software unkenntlich. Für die Fotos ließ Google Autos mit Spezialkameras die Straßen abfahren. Die Geräte waren auf einem Stativ in 2,50 Meter Höhe installiert. dpa

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