Ein zweiter Vater für mächtig starke Jungs

Wemmetsweiler · Vier Jahrzehnte brachte Friedbert Mann seinen Schützlingen beim AC Heros Wemmetsweiler nicht nur bei, wie sie Gewichte stemmen. Er half auch vielen dabei, sich zu integrieren. Jetzt hat er aufgehört – mit einem Bundesverdienstkreuz im Gepäck.

 Vom Zögling zum Trainer-Nachfolger: Friedrich Grauberger (r.) wurde lange von Friedbert Mann trainiert. Foto: Oliver Dietze

Vom Zögling zum Trainer-Nachfolger: Friedrich Grauberger (r.) wurde lange von Friedbert Mann trainiert. Foto: Oliver Dietze

Foto: Oliver Dietze

Ein zarter Nebel von Magnesia flirrt durch die Luft. Ab und an kracht und scheppert es, und der Geruch von Schweiß zeugt von harter Arbeit. Junge und alte Männer quälen sich im Trainingsraum der Gewichtheber des AC Heros Wemmetsweiler . Sie stemmen schwere Gewichte in die Höhe und lassen sie donnernd wieder zu Boden fallen. Mittendrin: Friedbert Mann, 80 Jahre alt, und Friedrich Grauberger, 35. Der Lärm der fallenden Gewichte zaubert den beiden Männern jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht, so wie Kindern, die in der Schule den Pausengong hören.

"Machen Sie weiter so", hatte ihm Bundespräsident Joachim Gauck mit einem Augenzwinkern gesagt, als er Friedbert Mann im vergangenen Jahr das Bundesverdienstkreuz überreichte - für seine Verdienste um die Integration ausländischer Jugendlicher durch Sport. Da musste Friedbert Mann selbst lachen, obwohl es ihm schwerfällt, darüber zu sprechen, dass er das Traineramt nach fast 40 Jahren niedergelegt hat. Feuchte Augen, Wehmut in der Stimme und ein mittelgroßer Kloß im Hals. Er schluckt ihn runter. "Ich kann nicht ganz loslassen", gibt der 80-Jährige zu, der seit 61 Jahren beim AC Heros Gewichte stemmt, "auch wenn meine Frau Christa sagt, dass ich in meinem Alter nicht mehr so viel machen kann." Für sich mache er weiter. Zwei Mal pro Woche, nicht mehr vier Mal den ganzen Abend, so wie es der gelernte Modellschreiner und Ex-Polizist lange Zeit tat.

Das Amt des Trainers übernimmt nun einer von Manns früheren Schützlingen: Friedrich Grauberger, amtierender Weltmeister im Reißen in der Altersklasse M35. Vor mehr als 20 Jahren stand er als Jugendlicher erstmals vor Mann. Damals 14 Jahre alt, kam er mit Bruder Paul und den Cousins aus Kasachstan nach Deutschland und klopfte beim AC Heros an - ohne Deutschkenntnisse, nur schreckliche Langeweile im Gepäck. "Als Deutschstämmiger durfte ich in der damaligen Sowjetunion nur die kostenpflichtigen Sportangebote nutzen", erzählt Grauberger. Kein Gewichtheben also, obwohl er es immer wollte. Aber in Wemmetsweiler war es möglich - trotz anfänglicher Sprachbarriere. Mit einzelnen Wörtern wie "Nase" und "Ohr" fing Friedbert Mann an, diese Barriere zu überwinden. "Die Schule und die Ausbildung, das war immer das wichtigste", sagt Mann über "seine Buben". Und die zogen mit: "Sie wollten unbedingt lernen und trainieren. Die haben einem an den Lippen geklebt und waren immer diszipliniert und anständig." Welcher Herkunft sie waren, spielte keine Rolle: Familie, Sport, Beruf, Schule - der Mensch als Ganzes war wichtiger.

Manns Plan ging auch sportlich auf: Viele Meistertitel in Mannschaftsligen und Landeswettbewerben sowie vordere Plätze und Titelgewinne bei Deutschen Meisterschaften sprechen für sich. Das gleiche Feuer, mit dem er seine Aufgabe anging, brennt auch in Grauberger. Dass sie sich immer noch freundlich siezen, zeigt den respektvollen und fürsorglichen Umgang, der sie bis heute verbindet. "Friedbert Mann hat sich immer um uns gekümmert, das ist ein feiner Mensch und ein toller Trainer", sagt Grauberger, der sich beim AC Heros "ganz schnell wohlgefühlt" hat. Kein Wunder, so wie sich Mann um seine Buben gekümmert hat. Für sein unermüdliches Engagement für die Integration wurde er schließlich im Juli 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Und auch der Verein hat sich weiterentwickelt im Lauf der Zeit. Etwa als Erich Hoffmann, langjähriger Vorsitzender des AC Heros und ebenfalls ehemaliger Schüler von Mann, Mitte der 90er Jahre eine Kooperation mit dem Landessportverband für das Saarland unter dem Titel "Sport für alle - Sport mit Aussiedlern" initiierte. Ein Vorläufer des heutigen Programms "Integration durch Sport" vom Deutschen Olympischen Sportbund.
Im Saarland verwurzelt

Heute, nach mehr als 20 Jahren, ist Grauberger nicht nur im Saarland verwurzelt, hat eine eigene Familie mit drei Töchtern gegründet. Er hat auch nach Manns Geschmack "wie sein Bruder und seine Cousins einen anständigen Beruf gelernt". Grauberger ist Zimmermann, sein Bruder Feinwerkmechaniker. Die Cousins stemmen zwar keine Gewichte mehr, doch Friedrich Grauberger und sein Bruder Paul engagieren sich weiter im Verein. Paul als Geräte- und Jugendwart, Weltmeister Friedrich als Trainer.

Die Übergabe des Traineramts war ein schleichender Prozess. Eine sanfte Übernahme, sodass es Mann deutlich leichter fiel, loszulassen. Schließlich weiß er, dass sein Schüler vom gleichen Schlag ist. Grauberger ist - wie seinem Vorbild Mann auch - zu viel Trubel um die eigene Person eher unangenehm. Er geht lieber schnell wieder zu "seinen Jungs" an die Gewichte. "Er ist, seit er das Amt des Trainers innehat, offener, lächelt mehr und geht auch auf die Jungen zu", sagt Mann. Und auch wenn ihm dies ein zufriedenes Lächeln entlockt, ein bisschen vermisst er ihn schon - diesen vertrauten Klang, wenn seine Buben die schweren Gewichte auf den Boden krachen lassen.

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