Ein Adeliger wird Regierungschef in Italien

Rom · Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella weiß um die prekäre Lage des Landes. Daher drückte er aufs Tempo, um die Regierungskrise zu beenden. Seine Lösung heißt Paolo Gentiloni.

Italien hat schon kürzere Regierungskrisen erlebt. Aber auch längere. Staatspräsident Sergio Mattarella hat viel darangesetzt, das Polit-Chaos nicht noch größer werden zu lassen. Zu prekär ist die wirtschaftliche Lage des hoch verschuldeten Landes. Nur wenige Tage nach der Schlappe von Premier Matteo Renzi beim Referendum und dessen Rücktritt präsentierte Mattarella gestern eine Lösung: Der bisherige Außenminister Paolo Gentiloni soll eine neue Regierung bilden und die Zügel bis zur nächsten Wahl in der Hand halten.

Vor der Bestätigung durch beide Parlamentskammern muss Gentiloni nun eine Liste von Ministern zusammenstellen und zur Vereidigung zu Mattarella zurückkehren. Beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel könnte der neue Regierungschef dann sein Debüt geben. Die neue Regierung werde mit größter Entschlossenheit die dringendsten internationalen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen angehen, kündigte der 62-jährige Sozialdemokrat an. Gentiloni kündigte an, dass sein Kabinett dem bisherigen unter Renzi ähneln werde. Gentiloni muss das Land voraussichtlich zu vorgezogenen Wahlen führen, die laut Mattarella aber erst stattfinden können, wenn das Wahlrecht für Abgeordnetenhaus und Senat angeglichen ist. Regulär fänden Wahlen erst im Frühjahr 2018 statt.

Beobachter gehen davon aus, dass Gentiloni eine ähnliche Politik, aber einen anderen Stil als sein Vorgänger pflegen wird. Der aus einer Adelsfamilie stammende, gebürtige Römer gilt als besonnen und diplomatisch. Er hat den Ruf, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und keine Spielchen zu treiben.

In Europa dürfte die Entscheidung Mattarellas mit Wohlwollen gesehen werden. Gentiloni, der neben Englisch und Französisch auch Deutsch spricht, ist Pro-Europäer wie Renzi und als Außenminister auf dem internationalen Parkett kein Unbekannter. Als "Kopie" Renzis wird Gentiloni dagegen von der Opposition - der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung und der ausländerfeindlichen Lega Nord - beschimpft.

Meinung:

Renzi will Revanche

Von SZ-Mitarbeiter Julius Müller-Meiningen

Paolo Gentiloni wird nur wenige Monate im Amt sein. Er muss das Land nur bis zu vorgezogenen Neuwahlen führen. Die wollen nach dem Rücktritt von Premier Matteo Renzi die meisten Parteien. Aber vor allem sind Wahlen auch Renzis Wunsch. Der Noch-Premier ist noch nicht am Ende. Er bleibt Parteichef und war der Regisseur der Nominierung Gentilonis. Sobald das neue Wahlgesetz steht, will Renzi Revanche. Er ist überzeugt, eine Mehrheit der Italiener hinter sich zu haben. Für diesen Plan braucht Renzi einen Nachfolger, der nach getaner Arbeit wieder ins zweite Glied rückt.

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