Und täglich grüßt die K-Frage

Berlin · Die ganze SPD zerbricht sich den Kopf, ob nicht Martin Schulz statt Sigmar Gabriel die bessere Wahl in der Frage der Kanzlerkandidatur wäre. Oder doch Andrea Nahles? Auch ein linkes Bündnis wird weiter ausgelotet.

Wird er es oder nicht? Ob Sigmar Gabriel der richtige K-Kandidat ist, beschäftigt die SPD. Foto: dpa

Wird er es oder nicht? Ob Sigmar Gabriel der richtige K-Kandidat ist, beschäftigt die SPD. Foto: dpa

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Andrea Nahles wird nicht Kanzlerkandidatin. Noch nicht, müsste man besser sagen. Denn eines Tages - vielleicht 2021 oder früher - trauen ihr viele in der SPD ganz viel zu. "Ich bin mir sicher, dass sie die letzte Stufe ihrer Karriere noch vor sich hat", sagt selbst CSU-Chef Horst Seehofer . Er lobt in der "Bild am Sonntag" die Bundesarbeitsministerin über den grünen Klee - und versucht so bei den Genossen auch ein bisschen Zwietracht zu säen.

Nicht nur wegen des Seehofer-Spruchs gehört der 46 Jahre alten Ex-Juso-Chefin und früheren Generalsekretärin am Wochenende die politische Bühne. Nahles knöpft sich beim Landesparteitag der Bayern-SPD in Nürnberg CSU , CDU und die Kanzlerin vor. Die CDU habe Angela Merkel beim Essener Parteitag in den Hintern getreten. Die SPD müsse nur warten, wie sich die CDU weiter zerlege. Zum ersten Mal sei Merkel wirklich schlagbar: "Das liegt in der Luft. Ich riech' es. Ich weiß nicht, was ihr immer riecht morgens, aber ich rieche ihre Schwäche", ruft Nahles. Tosender Applaus. Der Wahlkampf kann beginnen. Aber wer ist der richtige Kandidat? Die ungelöste K-Frage ist derzeit überall brennendes Thema in der SPD .

Ebenso ungelöst: Kann die SPD überhaupt gewinnen? Aufgelockert wird seit geraumer Zeit das verkrampfte Verhältnis zur Linkspartei. Gestern haben sich zum zweiten Mal Abgeordnete von SPD , Linken und Grünen getroffen, um Chancen für Rot-Rot-Grün auszuloten. Vor der Koalition kommt aber die Wahl. Und dafür braucht es einen Kandidaten.

Martin Schulz ließ gestern offen, ob er zur Verfügung steht. "Am Ende wird der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel im Januar einen Vorschlag unterbreiten", sagte er der ARD . Der scheidende EU-Parlamentspräsident braucht auch gar nicht viel mehr zu sagen. Die Zahlen sprechen für ihn. Schulz sitzt im Moment auf einem deutlich höheren Prozenthügel als sein Parteivorsitzender. Bei der Beliebtheit ist Mister Europa Schulz laut ARD-Deutschlandtrend auf Augenhöhe mit der Kanzlerin. Auch bei der Kanzlerfrage rückt er Merkel dicht auf die Pelle. Sigmar Gabriel liegt gegen Merkel 19:57 hinten. Für Gabriel ist das nichts Neues. Doch just in dem Moment, wo der Goslarer so sicher wie selten zu sein scheint, tatsächlich nach der Kanzlerkandidatur zu greifen, entfalten die Zahlenkolonnen eine für Gabriel gefährliche Dynamik in der SPD .

Von verheerenden Werten für den Chef wird geraunt. Das sei zwar bitter für Gabriel, weil dieser doch das EU-Kanada-Abkommen Ceta und 15 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann gerettet sowie Frank-Walter Steinmeier zum designierten Bundespräsidenten gemacht habe. Aber es sei nun mal nicht zu ändern. Ist also der vielen Deutschen noch nicht so bekannte Schulz der Heilsbringer, der der SPD den Einzug ins Kanzleramt bescheren kann? Schulz könnte unbefangener als Gabriel eine Kampagne fahren, weil er derzeit nicht regiert. Längst geht es nicht mehr nur um die K-Frage. Kandidatur und Vorsitz müssten in einer Hand liegen, sagen Führungsleute.

Für wie bedrohlich Gabriel diese Diskussion hält, zeigen seine jüngsten Äußerungen. "Popularität ist wichtig, aber nicht das Einzige, was Wählerinnen und Wähler interessiert", sagt der Vizekanzler der "Passauer Neue Presse". Und führt an, wie 2009 und 2013 Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück als SPD-Kanzlerkandidaten trotz anfangs blendender Umfragewerte am Ende untergingen.

Gabriel hat schlechte Werte - aber er steht nicht allein. Der mächtigste Landesverband Nordrhein-Westfalen etwa hat sich für ihn ausgesprochen. Wenn er sich die Kandidatur nimmt, dürfte ein Aufstand unwahrscheinlich sein.

Aus der Parteispitze heißt es, die SPD stehe am Ende geschlossen hinter dem Kandidaten - egal, wer es wird: Gabriel und Schulz, seien "Kampfschweine" die den harten Wahlkampf gegen Merkel, AfD & Co. bestehen könnten.

Meinung:

Alle Jahre wieder

Von SZ-Redakteurin Frauke Scholl

Die K-Frage der SPD ist wie Weihnachten, nur nicht ganz so häufig. Und langweiliger. Alle vier Jahre - immer zeitig, bevor eine Bundestagswahl dräut - geht es los. Auch derzeit tönt es bei den Genossen von fern und nah: Wer wird Kanzlerkandidat? Der oberste Erzengel Gabriel oder doch der neue Heilsbringer aus Brüssel? Eigentlich soll die frohe Botschaft erst im Januar verlauten. Aber Heerscharen von Nahles bis Kraft heizen trotzdem an, spekulieren, dementieren. Alle vier Jahre das gleiche. Liebe SPD , bitte gib uns den Herausforderer oder übe Besinnung. Alle Jahre wieder kommt zwar auch das Christkind. Aber darauf zu warten, ist aufregend.

Zum Thema:

Hintergrund Die SPD sieht Kanzlerin Angela Merkel durch den Konflikt in der CDU um die doppelte Staatsbürgerschaft massiv geschwächt. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte am Wochenende, Merkel stehe "mit dem Rücken zur Wand". Die CDU diskutiert, wie sie mit dem Doppelpass-Votum des Parteitags umgehen soll, das Merkel nicht unterstützt. afp

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