"Diese Debatte ist sehr wichtig"

Bearbeiten Sie als Theatermacherin Kinderbuch-Klassiker, die Wörter wie "Zigeuner", "Negerlein" oder "Mohr" enthalten?Schlingmann: Grundsätzlich finde ich es sehr richtig und wichtig, dass diese Debatte geführt wird. Gerade für uns Theatermacher ist das ein sehr sensibles Thema, mit dem wir sehr aufmerksam umgehen

Bearbeiten Sie als Theatermacherin Kinderbuch-Klassiker, die Wörter wie "Zigeuner", "Negerlein" oder "Mohr" enthalten?

Schlingmann: Grundsätzlich finde ich es sehr richtig und wichtig, dass diese Debatte geführt wird. Gerade für uns Theatermacher ist das ein sehr sensibles Thema, mit dem wir sehr aufmerksam umgehen. Denn Theater ist immer Gegenwart, das heißt, was auf der Bühne passiert, wird von Kindern als "Heute" wahrgenommen, während ein Buch ja durchaus auch in einen bestimmten historischen Kontext eingeordnet werden kann. Deshalb würde ich als Theatermacherin solche Begriffe in Kinderstücken grundsätzlich streichen.

Ist am Staatstheater schon einmal eine Textpassage wegen eines "politisch unkorrekten" Begriffs umgeschrieben worden?

Schlingmann: Ich kann mich nicht erinnern, dass das mal der Fall gewesen wäre.

Im Moment läuft bei Ihnen das Stück "Max und Moritz". Wie sind Sie hier mit der Vorlage umgegangen?

Schlingmann: An dem Stück sehen Sie sehr gut, dass wir auch Vorlagen ändern. In dem Fall haben wir auf eine Fassung zurückgegriffen, die bereits in Konstanz erfolgreich aufgeführt wurde. Das Stück endet - anders als in Buschs Vorlage - mit einem Happy-End, weil die Bühne einfach eine andere Realität hat als ein geschriebener Text.

Ein Zuschauer hat sich bei uns beklagt über die Darstellung des dritten Streichs in der Inszenierung. Darin wird das Publikum aufgefordert, zusammen mit Moritz den Schneider als "Ziegenböck" zu verhöhnen. Mit "Schneider Böck" habe sich Wilhelm Busch der karikaturistischen Stereotype von Juden bedient. Der Zuschauer empfand die Umsetzung als unsensibel . . .

Schlingmann: Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Obwohl ich mich sehr mit dem Thema auseinander gesetzt habe, ist mir dieses Stereotyp nicht bekannt gewesen. Es tut mir natürlich wahnsinnig leid, das jemand etwas als antisemitisch aufgegriffen hat, was wir und andere Menschen als Kinderscherz begriffen haben. Das war alles andere als beabsichtigt und wurde auch sonst von niemandem beanstandet. Das Stück ist ja insgesamt sehr gut angekommen.

Man könnte es ja auch durchaus als einen einen zivilisatorischen Fortschritt betrachten, wenn weder die Theatermacher noch Publikum diese Stereotype überhaupt noch kennen?

Schlingmann: Ja, trotzdem heißt das auch, dass wir in Zukunft noch mehr auf diese Dinge achten müssen. Ein solcher Vorwurf ist natürlich das absolute Gegenteil von dem, was wir eigentlich wollen. Foto: Becker und Bredel

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