Aufbruchsstimmung in Braunschweig Die AfD bereitet sich aufs Regieren vor

Braunschweig · Beim Parteitag in Braunschweig setzt sich ein Ost-West-Spitzenduo durch. Der rechte „Flügel“ geht ebenfalls gestärkt hervor.

 Jörg Meuthen (links) und Tino Chrupalla, die am Wochenende gewählten Parteivorsitzenden der AfD.

Jörg Meuthen (links) und Tino Chrupalla, die am Wochenende gewählten Parteivorsitzenden der AfD.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Keine Scharmützel, keine Überraschungen, kaum inhaltliche Debatten. Der AfD-Parteitag am Wochenende in der Braunschweiger Volkswagen-Halle brachte eine weitere Stabilisierung der erst 2013 gegründeten Partei. Ihr Sprecher Jörg Meuthen wurde von den 600 Delegierten mit großer Mehrheit von 69,2 Prozent im Amt bestätigt. Er setzte sich gegen zwei Gegenkandidaten durch. Co-Versitzender ist der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla. Er wurde reibungslos zum Nachfolger von Alexander Gauland gewählt. Die Partei wird nun von einem Ost-West-Duo geführt.

Meuthen rief dazu auf, die Partei schnell regierungsfähig zu machen, da die „ehemaligen Volksparteien“ CDU und SPD abgewirtschaftet hätten. Die AfD sei konservativ, freiheitlich und patriotisch, „aber nicht reaktionär, nicht nationalistisch“. Mit ihm werde es eine schleichende Tolerierung extremistischer Positionen nicht geben.

Insgesamt hat der rechtsradikale „Flügel“ des Thüringer Landeschefs Björn Höcke an Einfluss gewonnen. Rund 45 Prozent der Delegierten dürften dem Lager angehören oder mit ihm sympathisieren. Das zeigten knappe Entscheidungen bei den Wahlen zum Schiedsgericht und zum Vorstand, die nun häufiger zugunsten von „Flügel“-Leuten ausgingen.

Da Höcke, der selbst nicht kandidierte, sich mit dem Hinweis auf die Wahlerfolge in den neuen Ländern für Chrupalla ausgesprochen hatte, hatte dessen wichtigster Gegenkandidat, Gottfried Curio, nur noch eine geringe Chance. Auch Gauland, der Fraktionschef bleibt und auf dem Parteitag zum Ehrenvorsitzenden gewählt wurde, empfahl Chrupalla, der sich am Ende mit 54 Prozent durchsetzte. Der 44-jährige Malermeister aus Görlitz ist nicht selbst Mitglied des „Flügels“. Er wolle die bürgerliche Mitte erreichen. Dazu bedürfe es keiner drastischen Sprache. „Damit erreicht man oft nur das Gegenteil, vor allem bei den Frauen.“

Fraktionschefin Alice Weidel wurde als stellvertretende Bundessprecherin mit großer Mehrheit bestätigt. Als weiterer Stellvertreter wurde der Thüringer Abgeordnete Stephan Brandner gewählt, ein „Flügel“-Mann. Brandner war kürzlich im Bundestag als Vorsitzender des Rechtsausschusses wegen umstrittener Tweets abgesetzt worden. Er sagte unter Beifall: „Einmal die Meinung gesagt, schwupp ist der Job weg.“ Als dritte Stellvertreterin setzte sich Beatrix von Storch durch, allerdings erst nach mehreren Wahlgängen und nur knapp gegen „Flügel“-Mann Stephan Protschka. Dieser zog als Beisitzer in den Vorstand ein.

Es gab mehrere Signale der Abgrenzung gegen rechtsextreme Strömungen. So wurde ein Antrag, die „Identitäre Bewegung“ von der Unvereinbarkeitsliste zu streichen, per Mehrheitsbeschluss erst gar nicht auf die Tagesordnung genommen. Diese Liste, die Meuthen als „absolut unentbehrlich“ bezeichnete, enthält 250 links- oder rechtsextreme Organisationen, von denen sich die Partei abgrenzt. Als der als Antisemit bekannt gewordene baden-württembergische Abgeordnete Wolfgang Gedeon, der gegen Meuthen kandidierte, ans Rednerpult trat, kehrten ihm viele Delegierte den Rücken. Andere verließen den Saal. Gedeon bekam nur 22 Stimmen. Inhaltliche Debatten gab es in Braunschweig kaum. Die mehrmals vertagte Entscheidung über die Renten- und Sozialpolitik soll nun bei einem Parteitag im April 2020 erfolgen.

Begleitet wurde der Parteitag in Braunschweig von Demonstrationen. Rund 20 000 Menschen versammelten sich auf dem Domplatz.

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