In Kambodscha beginnt Prozess gegen Rote Khmer

Pnomh Penh. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zur nationalen Aussöhnung eines traumatisierten Volkes: Heute beginnt in Kambodscha der lang erwartete Prozess gegen vier hochrangige Anführer des Schreckensregimes der Roten Khmer

Pnomh Penh. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zur nationalen Aussöhnung eines traumatisierten Volkes: Heute beginnt in Kambodscha der lang erwartete Prozess gegen vier hochrangige Anführer des Schreckensregimes der Roten Khmer. Es handle sich um den wichtigsten Prozess, den das UN-Sondertribunal für Kambodscha zu führen habe, sagt Ko-Ankläger Andrew Cayley und vergleicht das Ausmaß und die Komplexität des Verfahrens mit den Nürnberger Prozessen nach dem Nationalsozialismus in Deutschland.Vor Gericht stehen der Regimeideologe, "Bruder Nr. 2" Nuon Chea (Fotos: afp), der ehemalige Staatschef Khieu Samphan, Ex-Außenminister Ieng Sary sowie die ehemalige Ministerin für soziale Fragen, Ieng Thirith. Sie müssen sich wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermords während der ultrakommunistischen Herrschaft der Roten Khmer von 1975 bis 1979 verantworten. Zwei Millionen Menschen - ein Viertel der kambodschanischen Bevölkerung zu der Zeit - kamen damals durch Erschöpfung, Hunger, Krankheit, Folter und Hinrichtungen ums Leben.

Obwohl von Völkermord die Rede ist, betrifft dieser Anklagepunkt allein die Massaker an Vietnamesen und der muslimischen Minderheit der Cham.

Auch wenn es in den ersten Prozesstagen von heute bis Donnerstag vorerst nur um das Prozedere des Verfahrens geht - wie die Auflistung von Zeugen - erhoffen sich die Überlebenden, "ein sehr dunkles Kapitel" in der Geschichte ihres Landes zu verstehen, wie Theary Seng sagt, die während der Rote-Khmer-Herrschaft ihre Eltern verlor. "Die wichtigste Frage ist ,warum' - warum haben sich die Kambodschaner gegenseitig umgebracht?", fragt sie. Sie sei froh, die Verantwortlichen auf der Anklagebank "im Angesicht mit ihren Opfern" zu sehen. Mit Aussagen der Beschuldigten ist allerdings frühestens im August zu rechnen.

Die vier Beschuldigten, die während ihrer Herrschaft Religion, Geld und Schulen abschafften und die Städte leerten, um Kollektivfarmen zu errichten, weisen die Vorwürfe zurück. "Sie werden auf nicht schuldig plädieren und es ablehnen zu kooperieren", sagt die Rechtsberaterin für Kambodschas Dokumentationszentrum, Anne Heindel. Nuon Chea räumte allerdings in einer Dokumentation kürzlich das Massaker an "Verrätern" ein, die nicht "umerziehbar" gewesen seien. 2006 hatte er gesagt, nichts zu bereuen und "für das Wohl des Volkes" gehandelt zu haben.

Der Prozess ist der zweite gegen Verantwortliche der Roten Khmer, nachdem im vergangenen Jahr erstmals ein Urteil gegen ein führendes Regime-Mitglied gefällt wurde. 2003 war das Sondertribunal für Kambodscha ins Leben gerufen worden. afp

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