Vom Schatten-Finanzminister zum Kanzler-Kandidaten?

Berlin. "Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist." Diese Worte des Arbeiterführers Ferdinand Lassalle (1825-1864) sind für Peer Steinbrück eine Art Leitschnur seines politischen Handelns. Sie stehen über dem Vorwort seines Buchs "Unterm Strich"

 Peer Steinbrück ist mit klaren Aussagen zur Griechenland-Krise in den Fokus gerückt.Foto: dpa

Peer Steinbrück ist mit klaren Aussagen zur Griechenland-Krise in den Fokus gerückt.Foto: dpa

Berlin. "Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Verschweigen und Bemänteln dessen, was ist." Diese Worte des Arbeiterführers Ferdinand Lassalle (1825-1864) sind für Peer Steinbrück eine Art Leitschnur seines politischen Handelns. Sie stehen über dem Vorwort seines Buchs "Unterm Strich". So spricht der frühere Bundesfinanzminister (2005-2009) in der sich massiv verschärfenden Griechenland-Krise Klartext und ist einer der gefragtesten SPD-Politiker. Anders als sein Nachfolger Wolfgang Schäuble (CDU) sieht er nur in einem Schuldenerlass für Athen eine Lösung, statt immer neue Milliarden- Kredite nachzuschießen. Frei nach dem Motto: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Ein Ausstieg Griechenlands aus dem Euro ist für Steinbrück "das schlechteste Szenario". Er fordert eine Entschuldungskonferenz für Athen und eine Wiederbelebung der deutsch-französischen Achse. Zudem bekräftigt er Forderungen nach der Möglichkeit geordneter Banken-Insolvenzen. "Wenn das europäische Währungssystem zerfällt, würde die Mark aufgewertet bis zum Mond und die Drachme abgewertet bis zum Erdmittelpunkt", warnt Steinbrück. Dies würde die deutschen Exporte extrem verteuern und in Griechenland für politische Instabilität sorgen.Es ist schon ungewöhnlich, dass ein Abgeordneter aus der zweiten Reihe derzeit laut ZDF-"Politbarometer" der beliebteste deutsche Politiker ist. Während Schäuble nach Meinung seiner Kritiker mitunter etwas hilflos agiert und mit dem Ruf nach einer stärkeren Beteiligung der Banken auf EU-Ebene weitgehend gescheitert ist, kann Steinbrück frei von Ämtern und ohne die Sorge, dass er Märkte bewegt, reden. Läuft er sich nebenher warm für eine mögliche Kanzlerkandidatur? Parteiintern wird die K-Debatte belächelt. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte der Wochenzeitung "Der Zeit" gestern erst, eine Entscheidung werde frühestens im Herbst kommenden Jahres fallen. Seit Steinbrück aber Mitte Mai sagte: "Der Zeitpunkt wird kommen, wo ich mich in Absprache mit zwei oder drei Führungspersönlichkeiten der SPD darüber zusammensetze", werden er und die SPD das Thema nicht mehr los.

Ähnliches gilt für die Grünen, die mit einer vor allem von den Medien befeuerten Debatte über eine Kandidatur von Joschka Fischer konfrontiert werden. Während beim Ex-Außenminister die Chancen als sehr gering gelten, macht man sich in der SPD über Steinbrück durchaus Gedanken, weil er in der Finanzkrise als Anker galt, der half, einen Zusammenbruch der Bank und ein massenhaftes Geldabheben zu verhindern. Die SPD hat derzeit wenige solcher finanzpolitischen Aushängeschilder. Zugleich stolpert Steinbrück aber auch immer wieder über sein Mundwerk - und in der SPD ist seine Hausmacht begrenzt.

Auch SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier gilt aufgrund seiner von großer Sachkenntnis geprägten Arbeit als heißer Kandidatur-Kandidat, auch wenn der Mann der eher leisen Töne 2009 gegen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) verlor und die SPD mit ihm auf 23 Prozent abstürzte. Obwohl die SPD in Umfragen im 20-Prozent-Turm gefangen scheint: Hinter Steinbrück steht Steinmeier bei den beliebtesten Politikern im Politbarometer auf Platz 2. Und dann ist da natürlich noch Gabriel, dem als erstem Mann der Partei traditionell das Vorrecht zufällt, sich bei Interesse an einer Kandidatur selbst vorzuschlagen - auch wenn seine Umfragewerte bisher weniger gut aussehen.

 Peer Steinbrück ist mit klaren Aussagen zur Griechenland-Krise in den Fokus gerückt.Foto: dpa

Peer Steinbrück ist mit klaren Aussagen zur Griechenland-Krise in den Fokus gerückt.Foto: dpa

Steinbrück muss dieser Tage immer wieder neben den Fragen zu Griechenland auch die Kandidaten-Frage beantworten. "Das klammern wir mal aus", sagte er vergangene Woche bei einer Veranstaltung in Hamburg. "Da habe ich anschließend acht Tage zu tun, um die Stangen wieder geradezubiegen." Bei einem Vortrag an der Universität Duisburg-Essen wählte der 64-Jährige eine andere Methode. "Das habe ich akustisch nicht verstanden", beschied er den Fragenden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort