EU-Staatsanwalt soll Betrüger jagen

Brüssel · Hunderte Millionen Euro gehen Brüssel jährlich durch Betrug durch die Lappen. EU-Justizkommissarin Viviane Reding will deshalb einen Staatsanwalt installieren. Bislang werden lediglich 43 Prozent der Straftaten aufgeklärt.

Rund 500 Millionen Euro gehen der EU jährlich durch betrügerische Machenschaften verloren. Bei den Tätern handelt es sich um "Kriminelle, die sich Rechtslücken zunutze machen, um Steuergelder zu kassieren", sagte EU-Justizkommissarin Viviane Reding gestern in Brüssel. Sie will nun gegensteuern und einen Europäischen Staatsanwalt installieren. In enger Abstimmung mit den nationalen Behörden und Gerichten soll er dafür sorgen, dass die miserable Aufklärungsquote von derzeit gerade mal 43 Prozent verbessert wird. "Wir müssen Steuergelder besser schützen und den Betrug wirksamer bekämpfen", begründete Kommissionschef José Manuel Barroso den Vorstoß. Der folge einer "einfachen Logik": Für einen föderalen Haushalt auf der Grundlage von Mitteln aus allen EU-Mitgliedstaaten, der nach gemeinsamen Vorschriften verwaltet wird, werden auch föderale Instrumente benötigt.

Künftig sollen die Fahnder der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf weiter investigativ unterwegs sein und auch den EU-Bediensteten selbst auf die Finger schauen, um Fälle von Bestechlichkeit herauszupicken. Der Europäische Staatsanwalt - es soll sich dabei um ein Team von zehn Personen handeln - wird dagegen Verwaltungsuntersuchungen zu Finanzbetrug oder anderen "Straftaten zulasten der finanziellen Interessen der EU" übernehmen. Dazu soll es eigene Verfahrensrechte wie die Möglichkeit der Aussageverweigerung bei persönlicher Betroffenheit und die Unschuldsvermutung geben.

Tatsächlich muss die EU mehr tun, um der Betrügereien mit Subventionen Herr zu werden. Im Zeitraum 2006 bis 2011 wurden allein nach Deutschland 168 Verfahren übertragen, die zu 114 Gerichtsentscheidungen führten. In 65 Fällen (57 Prozent) kam es zu Verurteilungen. Trauriger Spitzenreiter der europäischen Betrugsliste ist Rumänien, wo im genannten Zeitraum 225 Fälle zur Anklage kamen, aber nur 30 Beschuldigte (23,4 Prozent) schließlich auch abgeurteilt wurden. Dass die Errichtung einer solchen neuen juristischen Instanz bei den Mitgliedstaaten (Dänemark, Großbritannien und Irland sind aufgrund von Sonderregelungen im Lissabonner Vertrag nicht dabei) auf fruchtbaren Boden fallen dürfte, ist abzusehen.

Schon im März dieses Jahres hatten Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und ihre französische Amtskollegin Christiane Taubira den Aufbau eines europäischen Staatsanwaltes gefordert und waren damit bei ihren Amtskolleginnen und -kollegen auf viel Unterstützung gestoßen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort