Empörung über US-Soldaten

Washington. Die Stimmung der Soldaten erinnert an ein paar Halbwüchsige, die bei einem Klassenausflug zu tief ins Glas geschaut haben. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass sie ihre Notdurft nicht in Büschen, sondern auf toten Taliban-Kämpfern entrichteten

Washington. Die Stimmung der Soldaten erinnert an ein paar Halbwüchsige, die bei einem Klassenausflug zu tief ins Glas geschaut haben. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass sie ihre Notdurft nicht in Büschen, sondern auf toten Taliban-Kämpfern entrichteten. "Ich wünsche dir einen guten Tag, Freundchen", höhnt ein Marine, der einem Scharfschützen-Team aus Camp Lejeune angehört. "Warm wie eine Dusche", legt ein Kamerad nach. Ein dritter fragt: "Hast du alles auf Video?" Worauf der Kameramann mit einem "Yeah" entgegnet.Bisher ist nicht geklärt, wer sich hinter dem Nutzernamen "moviesoundtrackvideo" verbirgt, der die Bilder am Mittwoch auf "YouTube" in Umlauf gebracht hat. 39 Sekunden, die nach Ansicht von Experten gravierende Konsequenzen für die Rückzugspläne der Amerikaner haben könnten. Erinnerungen werden wach an die Übergriffe in dem Gefangenen-Lager von Abu Ghraib, die damals das Vertrauen der irakischen Zivilbevölkerung in die Besatzungstruppen untergruben.

Isaf, die Nato-Schutztruppe in Afghanistan, beeilte sich, den Vorfall auf das Schärfste zu verurteilen. "Jede Person, deren Beteiligung nachgewiesen wird, wird zur vollen Rechenschaft gezogen", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Das Pentagon kündigte seinerseits Ermittlungen an und stellt eine harte Bestrafung der Verantwortlichen in Aussicht. "Das ist ein ungeheuerliches Verhalten und nicht akzeptabel für ein Mitglied unserer Streitkräfte", erklärt Pentagon-Sprecher John Kirby, dem es beim Anblick des Videos nach eigenem Bekunden "den Magen verdrehte".

Die Veröffentlichung auf YouTube fällt mit dem Bekanntwerden von Einzelheiten des neuen Lageberichts der Geheimdienste (National Intelligence Estimate) zusammen. In dem 100 Seiten starken Dokument kommen die Schlapphüte laut "Los Angeles Times" zu dem Befund, dass Afghanistan weiterhin in einer Sackgasse stecke. Die erreichten Fortschritte durch die größere US-Truppenpräsenz sei durch anhaltende Korruption, eine inkompetente Regierung und ein sicheres Rückzugsgebiet der Taliban in Pakistan untergraben worden.

Das Video von der Leichenschändung belastet das ohnehin angespannte Verhältnis zwischen den USA und dem afghanischen Präsidenten Hamid Karzai.

Ein Sprecher der Taliban meinte, verglichen mit anderen Verbrechen der Amerikaner verblasse das Video. "Dieser inhumane Akt enthüllt der Welt ihr wahres Gesicht." Das Pentagon bleibt extrem besorgt, wie das Video in der afghanischen Bevölkerung aufgenommen wird. Hinter den Kulissen hoffen die Militärs darauf, dass die Übergriffe nicht als Angriff auf den Islam, sondern Beleidigung der Taliban verstanden werden. So oder so verkompliziert der Vorfall die Pläne der USA, die Kampftruppen bis Ende 2014 zurückzuziehen. "Das ist ein ungeheuerliches Verhalten und nicht akzeptabel für ein Mitglied unserer Streitkräfte."

Pentagon-Sprecher

John Kirby

Meinung

Niederträchtiges Verhalten

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

Der Video-Schocker aus Afghanistan ist selbstredend. Für ein so niederträchtiges Verhalten gibt es keine Entschuldigung. Die verantwortlichen Soldaten müssen hart bestraft werden. Allein schon, um die Autorität der westlichen Truppen am Hindukusch nicht zu untergraben. Schaden ist in jedem Fall entstanden. Bestärkt die Leichenschändung doch das Vorurteil in der afghanischen Bevölkerung, die Amerikaner achteten ihre Kultur nicht genügend.

Die Taliban werden das Video gewiss für Propaganda-Zwecke und zur Rekrutierung neuer Kämpfer ausbeuten. Das Verhältnis zu dem labilen afghanischen Präsidenten wird dadurch noch komplizierter. Karzai steht nun massiv unter Druck, gegenüber den Nato-Truppen öffentlich Entschlossenheit zu demonstrieren.

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