Der leise, aber ewige Rebell

Berlin. Sie versteht sich als soziales Gewissen der Sozialdemokraten: die Partei-Arbeitsgruppe für Arbeitnehmerfragen, kurz AfA genannt. Für die größte und mitgliederstärkste Teil-Organisation der SPD geht an diesem Samstag eine Ära zu Ende. Nach zwölf Jahren AfA-Vorsitz gibt der saarländische Parteilinke Ottmar Schreiner das Amt auf

Berlin. Sie versteht sich als soziales Gewissen der Sozialdemokraten: die Partei-Arbeitsgruppe für Arbeitnehmerfragen, kurz AfA genannt. Für die größte und mitgliederstärkste Teil-Organisation der SPD geht an diesem Samstag eine Ära zu Ende. Nach zwölf Jahren AfA-Vorsitz gibt der saarländische Parteilinke Ottmar Schreiner das Amt auf.Einziger Nachfolgekandidat ist sein bisheriger Vize, der 56-jährige Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel. Die Wahl auf dem AfA-Kongress in Bonn ist nur noch Formsache. Mit seinem eher farblosen Naturell dürfte es der gelernte Gewerkschafter aus Bayern allerdings schwer haben, der AfA in der Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen. Schreiner ist ein flammender und emotionaler Redner. Oft auch ein Polterer. Bei Barthel muss man sich schon stark konzentrieren, so nüchtern und bedächtig wirkt er bisweilen auf seine Zuhörer.

Dabei ist Barthel nicht minder hartnäckig, wenn es um die Verteidigung klassisch links-sozialdemokratischer Positionen geht. Das bekam schon Gerhard Schröder zu spüren. Gemeinsam mit Schreiner und ein paar anderen Abweichlern zettelte Barthel im Frühjahr 2003 ein Mitgliederbegehren gegen die Agenda 2010 des damaligen SPD-Kanzlers an. Das blieb zwar erfolglos, doch fortan tauchte Barthels Name immer wieder auf, wenn sich der neoliberale Zeitgeist seiner Partei zu bemächtigen schien. Gegen die Gesundheitsreform zur Einführung der Praxisgebühr hat Barthel genauso gekämpft wie später gegen die Rente mit 67 oder den fortgesetzten Bundeswehreinsatz in Afghanistan. Barthel, der leise, aber ewige Rebell.

Fast zehn Jahre lang fristete die AfA ein Schattendasein. Die Parteivorsitzenden Schröder und Müntefering machten um sie eher einen großen Bogen, und wenn nicht, dann rappelte es ordentlich im Karton. Doch seit aus der Regierungs-SPD eine Oppositions-SPD geworden ist, denken die meisten Genossen wieder wie Barthel und Schreiner.

Trotzdem sind die alten Schlachten für ihn noch längst nicht geschlagen. Die Riester-Rente zum Beispiel hält Barthel für einen folgenschweren "Irrtum". Jeder Euro dafür sei "Verschwendung", weil eine "Subventionierung der privaten Lebensversicherer". Stattdessen müsse die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard sichern. Auch bei der Zumutbarkeit von Jobs oder der befristeten Beschäftigung sieht Barthel viel Korrekturbedarf.

So ganz unumstritten war Barthels Kandidatur übrigens nicht. Um den neu entdeckten Schulterschluss mit den Gewerkschaften auch personell zu symbolisieren, wollte Parteichef Sigmar Gabriel den einflussreichen Bezirksleiter der IG Metall, Armin Schild, an die Spitze des sozialdemokratischen Arbeitnehmerflügels hieven. Foto: SPD-Fraktion

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