Prosieben setzt Sex-Doku ab
München. Die Prosieben-Ankündigung der neuen Nachmittags-Dokusoap "50 pro Semester" allein reichte, und es hagelte massiv Kritik: In der Schein-Dokumentation sollten vom 18. Januar an fünf Studenten darum wetteifern, wer 50 Frauen oder Männer in einem Semester ins Bett bekommt
München. Die Prosieben-Ankündigung der neuen Nachmittags-Dokusoap "50 pro Semester" allein reichte, und es hagelte massiv Kritik: In der Schein-Dokumentation sollten vom 18. Januar an fünf Studenten darum wetteifern, wer 50 Frauen oder Männer in einem Semester ins Bett bekommt. "Peinlich" und "menschenverachtend" lautete das Urteil von Politikern, Kinderschützern, Medienexperten und Kirchen - obwohl sie noch keine Minute des Formats gesehen hatten. Mit soviel Gegenwind hatte Prosieben nicht gerechnet. Nur wenige Stunden, nachdem die Kritik über die Medien laut wurde, reagierte der Sender: "Aufgrund der öffentlichen Diskussion" werde das Programm auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, erklärte gestern Sendersprecher Christoph Körfer. Prosieben entschied, der Diskussion erst einmal aus dem Weg zu gehen und das Format zu verschieben, obwohl man sich eigentlich im Recht sieht. "Wir reden hier von einer Soap mit jungen Menschen, welche Spaß am Leben, an der Liebe und selbstverständlich auch am Sex haben", sagte Körfer. So etwas dürfe auch am Nachmittag im TV thematisiert werden.
Darüber hinaus handelt es sich bei "50 pro Semester" nicht um eine Dokumentation mit realen Personen, sondern um eine "Scripted Reality", also eine erfundene Geschichte mit Schauspielern. Aber ob das den Zuschauern bewusst ist?
Auf jeden Fall traf die Kritik der Moralwächter Prosieben wie ein Hammerschlag: "Es ist eine verheerende Botschaft an alle Zuschauer, wenn Frauen und Männer in einer Art moderner "Kopfgeldjagd" zu Sexobjekten degradiert werden", sagte Bayerns Familienministerin Christine Haderthauer (CSU). Sie drohte rechtliche Schritte an: "Jeder, der bei uns Lizenzen verliehen bekommt, hat damit auch eine bestimmte Verantwortung übertragen bekommen. Gegen diese wird bei einem solchen Format grob verstoßen." Der katholische Weihbischof des Erzbistums Hamburg, Hans Jochen Jaschke, sagte: "Ich protestiere gegen die Erniedrigung und den Missbrauch menschlicher Gefühle in dieser TV-Show. Hier verkommen Liebe und Sex zu pubertären machohaften Spielchen." dpa
Meinung
Gezielte Täuschung
Von SZ-Redakteur
Jörg Wingertszahn
Die Idee von Prosieben ist natürlich völlig geschmacklos. Ein weiteres Beispiel dafür, wie mit Sex bei jungen Zuschauern schnell Quote gemacht werden soll. Dabei sollte man aber nicht übersehen, dass es sich um erfundene Geschichten mit Schauspielern handelt - nicht um tatsächliche Ereignisse. Ob das allen Kritikern klar ist? Wie auch immer - Prosieben verkauft seine "Doku-Soap" als sei sie real, und das ist verwerflich genug. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion wird gezielt verwischt, der Zuschauer im Grunde getäuscht. Man kann sich vom Privatfernsehen wünschen, dass es Bildung und Werte vermittelt, erwarten sollte man es nicht. Dass Anstand und Moral um der Quote willen konsequent missachtet werden, muss allerdings auch nicht sein.