Alles Selfie, oder was?

Düsseldorf · Auf dem roten Teppich ist es für die Stars mit dem Abarbeiten von Autogrammwünschen nicht mehr getan. Die Fans wollen Selfies – Fotos von sich mit dem Star. Deswegen den nahen Tod des Autogramms auszurufen, wäre aber verfrüht.

 Immer wieder muss Jogi Löw vor die Handy-Kameras.

Immer wieder muss Jogi Löw vor die Handy-Kameras.

 Auch US-Sängerin Taylor Swift lässt sich gern mit Fans ablichten.

Auch US-Sängerin Taylor Swift lässt sich gern mit Fans ablichten.

 Musiker Bill Kaulitz fotografiert sich mit einem Fan. Fotos: dpa

Musiker Bill Kaulitz fotografiert sich mit einem Fan. Fotos: dpa

Die mehrfache Grammy-Gewinnerin Taylor Swift kann auf Autogrammkarten angeblich inzwischen verzichten. "Ich wurde nicht mehr nach einem Autogramm gefragt, seit das iPhone mit seiner Frontkamera erfunden wurde", schreibt die 24 Jahre alte US-Sängerin. "Das einzige Andenken, das Kinder heutzutage wollen, ist ein Selfie."

Ähnlich ergeht es der Band Tokio Hotel nach ihrem Comeback: "Heute gucken dich die Leute komisch an, wenn du ihnen was unterschreiben willst", sagt Sänger Bill Kaulitz . "Wir kommen ja noch aus anderen Zeiten. Als wir bekannt wurden, gab es ja noch kein Facebook , Twitter oder Instagram . Wir hatten ja noch Autogrammkarten." Auch andere Promis wie etwa die Schauspieler Jürgen Vogel , Wolfgang Stumph oder Elyas M'Barek, der Rapper MC Fitti oder aber Fußball-Bundestrainer Joachim Löw scheinen immer wieder für Selfies von Fans posieren zu müssen.

Dennoch: Ganz düster sieht Jutta Heyn, Künstlerbetreuerin aus Berlin, die Zukunft des Autogramms nicht: "Wir bekommen nach wie vor Unmengen von Autogrammpost." Die Selfie-Manie sei zwar in den großen Metropolen ein neues Phänomen bei Galas, Premieren und Preisverleihungen. Für die Prominenten sei das inzwischen "ganz schön anstrengend", berichtet Heyn. Dennoch: "Ich beobachte, wie die Fans vor Ort ein Selfie mit dem Star wollen, ihm aber den frankierten Rückumschlag für das Autogramm trotzdem noch zustecken", sagt die PR-Expertin.

Auch Ralf Hahn, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Autographensammler, sieht keinen Niedergang des Autogramms: "Im Gegenteil, es gibt sogar hauptberufliche Autogrammjäger. Autogramme gerade auch von Taylor Swift sind sehr begehrt." Ein allgemeiner Preisverfall für Autogramme oder ähnliche Anzeichen nachlassenden Interesses seien nicht feststellbar, sagt der Berliner. Selfies würden eher zusätzlich zum Autogramm gewünscht - nicht anstatt. "Damit kann man bei Facebook natürlich besser angeben."

Früher, als Ilja Richter in den 70er Jahren noch die Sendung "Disco" moderierte und Dieter Thomas Heck die "Hitparade", blendete das ZDF sogar Adressen ein, an denen die Fans ihren Wunsch nach einem Autogramm loswerden konnten. Die Stars nahmen sogar ihre Fan-Clubs als Versandstellen in Anspruch, um den Autogramm-Hunger zu stillen. Und heute? Die Autogramm-Adressen gibt es nach wie vor - zu finden bei den Internetauftritten der Stars.

Doch Country-Star Swift sieht im Selfie sogar eine neue digitale Währung, mit der die Popularität von Künstlern gemessen werden könne, ähnlich wie die Frage, wie viele Anhänger ein Musiker auf sozialen Netzwerken wie Instagram und Facebook habe und wie viele ein YouTube-Video gesehen haben.

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