Lars von Triers peinlicher Auftritt

Cannes. Versetzte Lars von Trier (Foto: afp) vor zwei Jahren noch das Cannes-Festival mit seinem psychologischen Horror "Antichrist" in Schockzustand, war sein aktueller Palmenkonkurrent "Melancholia" für keinen Skandal gut

Cannes. Versetzte Lars von Trier (Foto: afp) vor zwei Jahren noch das Cannes-Festival mit seinem psychologischen Horror "Antichrist" in Schockzustand, war sein aktueller Palmenkonkurrent "Melancholia" für keinen Skandal gut. Also lieferte der Däne diesmal mit seinem sehr speziellen Humor selbst die Provokationen und irritierte auf der Pressekonferenz nicht nur die Journalisten, sondern auch seine neben ihm sitzenden Hauptdarstellerinnen Kirsten Dunst und Charlotte Gainsbourg. "Ich bin ein Nazi", sagte das Regie-Enfant-Terrible in der Pressekonferenz im Hinblick auf seine deutschen Familienwurzeln und verhedderte sich zusehends in weiteren Ausführungen darüber, dass er Hitler - auch wenn der schlechte Dinge getan habe - verstehen könne und eine Schwäche für Albert Speers Architektur habe.Mit seinem neuen Werk hat diese provokante Show allerdings gar nichts zu tun. Darin geht es vielmehr erneut um Depressionen und um Menschen in Extremsituationen - diesmal im Angesicht eines drohenden Weltuntergangs, weil ein Planet namens "Melancholia" auf die Erde zurast. Daraus entwickelt von Trier ein intimes Drama aus der Sicht zweier Schwestern, unterlegt von Wagner und in weiche, warme, von der deutschen Romantik beeinflusste Bilder gepackt.

Einen Weltuntergang gab es in Aki Kaurismäkis "Le Havre" zwar nicht. Der Regisseur allerdings räumt dieser Menschheit keine großen Überlebenschancen ein. "Je zynischer ich werde, umso sanfter werden meine Filme", erklärte der brummelige Finne vor der Presse. Hoffnungsvoll geht es in seiner warmherzigen Fantasie über Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt schließlich zu, die von einem alten Schuhputzer in der französischen Hafenstadt Le Havre handelt, der beschließt, einem afrikanischen Flüchtlingsjungen zu helfen. Kaurismäki bleibt bei seinem unverkennbaren Stil: mit dem Retrocharme, den sorgfältig durcharrangierten Bildern, der Lakonie, den kauzigen Typen und den Verweisen auf das Kino der 50er und 60er Jahre. Auf seine berechenbare Weise ist "Le Havre" dennoch ein wundervolles Kleinod im Wettbewerb, das stürmisch bejubelt wurde.

Die meisten Buhrufe gab es derweil für den bereits im vergangenen Cannes-Jahr erwarteten "The Tree of Life" von Terrence Malick. Auf Erklärungen des Regisseurs durfte man auch diesmal nicht hoffen. Das große Phantom der Filmwelt hat sich abermals bei der Premiere seines eigenen Werks überscheu aus der Öffentlichkeit rausgehalten und schickte Hauptdarsteller Brad Pitt vor, der mit weißem Anzug, Goldkettchen und Gelhaaren aufkreuzte und in "The Tree of Life" einen autoritären Familienvater in den USA der 50er-Jahre verkörpert. Es ist aber weniger das Familiendrama, das Malick im Sinn hat. Er hat seinen Film vielmehr als spirituelle, symphonische Meditation angelegt und mit getragenen Übergroßbildern gefüllt: Vom All, von Dinosauriern, von der Schöpfung, dem Urknall. Zwischen der Makrofamilienebene bis in die unendlichen Weiten des Kosmos öffnet Malick seine gigantischen Assoziationsräume für all die großen Fragen der menschlichen Existenz.

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