Von Köln nach Amsterdam Im Rausch der Langsamkeit

Köln/Amsterdam · Eine Schiffsreise durch Holland über Flüsse, Seen und Kanäle bietet sowohl Entschleunigung als auch interessante Landgänge.

 Beim Halt in Amsterdam, haben Reisende die Möglichkeit, die berühmten Grachten der niederländischen Hauptstadt zu erkunden.

Beim Halt in Amsterdam, haben Reisende die Möglichkeit, die berühmten Grachten der niederländischen Hauptstadt zu erkunden.

Foto: NBTC

Mauer neun. Zugegeben, in Köln gibt es vornehmer klingende Adressen. Ein Manko, das die prominente Nachbarschaft zum vielbesungenen Dom der Rheinmetropole aber allemal wettmacht. Wie auch immer – an diesem Nachmittag bleibt der Schiffsanleger mit der Nummer 9 verwaist, denn Vater Rhein hat das Ufer geflutet, und die MS Vistastar erwartet die Ankunft neuer Gäste „up de schääl Sick“, also auf der anderen Flussseite, im Deutzer Hafen. Dafür mit exquisitem Blick auf besagtes Wunderwerk mittelalterlicher Sakralkunst, das beladen mit einem verwirrenden Übereinander gotischer Zierstücke soweit in den Himmel strebt, dass seine Turmspitzen die Wolken kitzeln.

Nach und nach trudeln die Passagiere ein und beziehen ihre gebuchten Kabinen, während in der wohligen Wärme des Schiffsbauchs bereits mit Kaffee und Kuchen die erste Mahlzeit an Bord serviert wird. Doch viele zieht es schon bald in die zugige Höhe des Sonnendecks, um das Auslaufen ihres schwimmenden Hotels nicht zu verpassen. Es soll sie in den kommenden vier Tagen über Flüsse, Seen, Kanäle, Schleusen durchs benachbarte Holland tragen. Und so verlässt das jüngste Flottenmitglied des Flusskreuzfahrtveranstalters 1AVista Reisen, das im Sommer 2018 auf Jungfernfahrt ging, schließlich Köln, begleitet von den Bildern und Geräuschen der Großstadt.

 Bis zum Abendessen ist noch etwas Zeit. Gelegenheit also, das elegante Innenleben des 135 Meter langen First-Class-Schiffes unter die Lupe zu nehmen: Pool und Sauna, über die sich Wellnessfreunde freuen dürften. Und dann natürlich die mit gemütlichen Sofas und Sesseln ausstaffierte Lounge, wo die Flusslandschaft an großzügigen Panoramafenstern wie ein Kinofilm vorübergleitet und Bordmusiker Willi allabendlich nach einem Vier-Gänge-Menü zum Tanz aufspielt.

 Über Stunden folgt die Vistastar der Strömung des mäandrierenden Niederrheins vorbei an stark industrialisierten wie landwirtschaftlich geprägten Ufern, bevor sie gegen Mitternacht bei Emmerich unbemerkt die deutsch-niederländische Grenze passiert, um ihren Weg auf der Waal, dem größten Hauptarm des sich im Mündungsdelta teilenden Rheins, fortzusetzen. Doch schon beim Aufwachen ist aus dem Fluss ein Kanal geworden, und das Schiff bewegt sich mit gemächlichen 17 Kilometern pro Stunde zwischen robusten Spundwänden Richtung Amsterdam. Dabei präsentiert sich hinter den Fensterscheiben eine Flusslandschaft, die so ganz und gar anders ist als die des allseits bekannten Mittelrheintals. Hier gibt es keine weinbewachsenen Hänge und felsige Höhen, auf denen Burgen thronen und ein blondes Fräulein durch seine Schönheit die Schiffer ins Unglück stürzt. Nein, hier ist alles flach. Und nicht ganz so romantisch. Anonyme Wohnblöcke wechseln sich mit lauschigen Einfamilienhäusern und einsamen Gehöften inmitten sattgrüner Weiden ab. Auf Industrieanlagen mit Silos, Schornsteinen, Kränen folgt unberührtes Grünland. Unterdessen walzt sich ein ums andere Binnenschiff der Vistastar entgegen, die auf dem Uferweg von zahllosen Radfahrern überholt wird.

 Wenn das Schiff vom Amsterdam-Rhein-Kanal in die Wasser des IJ fährt, ist auch schon die Hauptstadt des Königreichs erreicht. Die knapp 200 Passagiere des voll besetzten Flusskreuzers haben nun einen Tag, einen Abend und die halbe Nacht, um auf Erkundungstour zu gehen. In der berühmten Kunstausstellung des Rijksmuseums können Rembrandts „Nachtwache“ im Original und im Vincent van Gogh Museum eine riesige Sammlung an Gemälden und Zeichnungen des niederländischen Künstlers bewundert werden. Während die einen immer schon das Anne-Frank-Haus, ein Mahnmal für die Gräueltaten der Nazizeit, besuchen wollten, schlendern die anderen lieber im zentralen Stadtviertel Jordaan durch nette Läden. Stehen am Dam, dem pulsierenden Herz Amsterdams, beeindruckt vor Königspalast und Nieuwe Kerk, Willem-Alexanders Krönungskirche. Oder riskieren einen Blick ins Rotlichtviertel an der Oude Kerk, wo hinter Dutzenden von Bordellfenstern rund um die Uhr die Geschäfte florieren.

 Was aber keinesfalls fehlen darf, ist eine Tour per Ausflugsboot durch den Amsterdamer Grachtengürtel, den die Unesco 2010 zur Welterbestätte erklärt hat. Der Aufstieg der Stadt zum bedeutenden Handelsplatz im Goldenen Zeitalter des 17. Jahrhunderts legte den Grundstein für den Bau dieses halbkreisförmigen Labyrinths aus Kanälen. Auf ihnen wurden Waren von und zu den Kaufmanns- und Lagerhäusern transportiert, die in dichten Reihen die engen Wasserläufe säumen. „Je breiter ein Haus am Kanal war, desto mehr musste an Steuern bezahlt werden“, erzählt unser Reiseführer Leneke Fernhout bei einer Tour durch Prinsengracht und Herengracht. Das erklärt, warum die auf Pfählen im sumpfigen Untergrund errichteten Backsteinbauten meist ausgesprochen schmal und hoch ausfielen.

 Das romantische Bild der Kanäle mit ihren zighundert Brücken und den typischen Hausbooten gerät schnell in Vergessenheit, wenn die Vistastar im Amsterdamer Stadtgebiet die Oranjeschleuse durchfährt und im Markermeer, dem eingedeichten, südlichen Teil des IJsselmeers, landet. Zur Frühstückszeit ist der Hafen von Lelystad erreicht, der auf dem Reißbrett entstandenen Hauptstadt Flevolands. Die Provinz erstreckt sich fast ausschließlich auf Land, das die Niederländern dem Meer im Laufe des 20. Jahrhundert abtrotzten. Den Passagieren bleiben gerade mal zwei Stunden an Land und die Wahl zwischen dem Besuch eines Designer-Outlets und der Museumswerft Batavialand, vor deren Tür der Nachbau eines 400 Jahre alten Segelschiffs in den Wellen schaukelt.

 Gleich hinter der Werft erwartet die Vistastar ein weiterer Schleusengang und der Zugang ins IJsselmeer, Hollands größten Süßwassersee. Er entstand durch die Eindeichung des ehemaligen Meeresarms der Zuiderzee. An seiner Küstenlinie liegen sehenswerte Orte wie Enkhuizen, wo für diesen Tag ein zweiter Landgang geplant ist.

 Auf Kreuzfahrtschiffen können Urlauber von Köln aus gemächlich den Rhein hinunter Richtung Niederlande reisen.

Auf Kreuzfahrtschiffen können Urlauber von Köln aus gemächlich den Rhein hinunter Richtung Niederlande reisen.

Foto: Sabine Mattern
 Flusskreuzfahrt Köln-Amsterdam

Flusskreuzfahrt Köln-Amsterdam

Foto: SZ/Müller, Astrid

Als unser Schiff das geschichtsträchtige Städtchen mit seinem malerischen Hafen und der bezaubernden Backsteinarchitektur wieder verlässt, um die Heimreise anzutreten, hängt längst die Dunkelheit wie ein schwerer Vorhang vor den Fenstern. In den Stunden bis zum Weckerklingeln am nächsten Morgen hat die Vistastar sowohl das IJsselmeer als auch den Amsterdam-Rhein-Kanal hinter sich gelassen und kämpft sich nun auf der Waal der deutschen Grenze entgegen. Ein letzter Stopp steht noch auf dem Programm: Nijmegen, wo Kapitän Andreas Türk seine Passagiere zu einer ausgedehnten Sightseeing- und Shoppingrunde durch Hollands älteste Stadt entlässt. Am Abend dann ein Abschiedscocktail in der Bar und ein Dinner mit musikalisch ummalter Eisparade als krönendem Abschluss. Doch noch ist es nicht soweit. Noch genießen wir für eine Weile die Naturidylle aus plattem Grünland jenseits des Wassers. Ein stummes Bild voller Einfachheit, das nie langweilig wird.

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