Das wahre Gesicht der Provence

Fontaine-de-Vaucluse · Die Reben sind abgeernet, und Lavendelfelder sucht man in der winterlichen Provence vergebens. Dafür können Reisende den Charme der Landschaft spüren und die provenzialische Küche von einer ganz anderen Seite kennenlernen.

 Das Dörfchen Gordes im Lubéron ist im Sommer übervoll mit Touristen, im Winter hingegen wirkt es einsam und still. Foto: Christine Maack

Das Dörfchen Gordes im Lubéron ist im Sommer übervoll mit Touristen, im Winter hingegen wirkt es einsam und still. Foto: Christine Maack

Foto: Christine Maack

Der Mistral macht jeden fertig. Er bläst erbarmungslos durch alles hindurch. Er ist bissig, eisig und gemein, und man wäre froh, zu Hause geblieben zu sein. So hören sich die Kommentare an, wenn man sich im Winter mal nicht der Skikarawane in die Alpen anschließen, sondern in eine ungewöhnliche Richtung reisen möchte - nach Süden. Nicht an die milde Cote d'Azur, sondern in die Provence.

Nein, es blühen vor März noch keine Mandelbäume, die Reben sind abgeerntet und die Lavendelfelder nicht als solche zu erkennen. Auch Menschen trifft man kaum an, außer den wenigen verbliebenen Einheimischen und ein paar tapferen Engländern, die im Taumel der Provence-Begeisterung vor über 20 Jahren in Gordes oder in Eygalières ein Haus für viel Geld restauriert haben und nun wollen, dass die Investition sich lohnt.

Touristen gibt es gar nicht, also brauchen sich die Dörfer auch nicht mit Provence-Kitsch zu schmücken - keine gelben Tischdecken, keine bunt bedruckten Rüschenkleider und keine Massenkeramik. Hunderte von Parkplätzen stehen am Ortseingang des Dörfchens Fontaine-de-Vaucluse leer, das mutet fast schon gespenstisch an, wenn man den völlig überlaufenen Touristenort im Sommer kennt.

Jetzt genießt man die Harmonie des kleinen Dorfplatzes mit den mächtigen Platanen, die charmante kleine Brücke über das türkisfarbene Flüsschen Sorgue, das soeben aus der Quelle geströmt ist und im Winter viel Wasser führt. Außerdem thront eine alte Burg wie ein abgebrochener Zahn über dem Flusstal, in dessen Schatten der italienische Dichter Petrarca (1304-1374) für zwölf Jahre ein Einsiedlerdasein führte. Die Römer nannten diese Stelle "Vallis clausa", das abgeschlossene Tal, woraus sich der Name des Départements Vaucluse ableitet.

Nicht weit weg von Fontaine- de-Vaucluse hockt das Dörfchen Gordes, das in keinem Provence Bildband fehlt, auf einem Felsen. Im Sommer wird um jeden Stuhl, der auf dem Platz um die dickbauchige Burg aufgestellt wird, hart gekämpft. Im Winter gibt es nirgendwo Stühle, noch nicht einmal ein geöffnetes Restaurant. Gordes ist jetzt ein Dorf mit unbequemen steilen Gassen, verlassen und ohne eine Spur der Pariser Schickeria, die erst wieder ab Mai vorbeischaut. Schnörkellos wirkt im Winter auch die Abtei von Senanque, sie entfaltet erst jetzt ihre Spiritualität und wahre Schönheit. Unten im Tal, wo auch im Winter noch die Vögel singen und es nach Pilzen riecht, kündet sie vom Fleiß und von den Entbehrungen der mittelalterlichen Zisterzienser-Mönche.

Eine sanfte Stille liegt über der waldigen Landschaft mit ihren braunen Krüppeleichen und lässt die Besucher erahnen, wie abgeschieden die Provence einst war. Die winterliche Majestät der Provence ist allerdings unbestritten der über 1900 Meter hohe Mont Ventoux, der bis in die Osterzeit seine weiße Kuppe aus Schnee trägt. Auch eine kleine Skistation gibt's da oben, doch wenn der eisige Mistral über den Berg pfeift, dann stimmen die Vorstellungen von diesem bösartigen Wind tatsächlich.

Von dem hübschen Dörfchen Crillon-le Brave hat man einen grandiosen Blick auf den Berg und einen nicht minder erfreulichen Blick auf die Speisekarte. Denn in diesem winzigen Dorf findet man das, was man in den verlassenen Touristendörfern nicht angetroffen hat: ein Restaurant, in dem köstliche Wintergerichte vor einem offenen Kamin serviert werden: Wild mit Trüffel, Spanferkel mit Morcheln, Ente mit Wintergemüse. Die Einheimischen lassen es sich schmecken. Der Winter in der Provence ist eben etwas ganz Besonderes. Draußen mag jetzt Wind aufkommen, doch die Sonne ist golden und warm. Man hat die Provence für sich alleine, vom bissigen Mistral keine Spur. Und man ist froh, dass man nicht zu Hause geblieben ist.

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Auf einen BlickDie Provence ist auch im Winter meist sonnig und mild. Ab März werden tagsüber Temperaturen um die 20 Grad erreicht. Infos, Bilder und Tipps für schöne Unterkünfte gibt's auf Deutsch im Internet: provence-tourismus.de

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