Woche der Wahrheit für de Maizière

Berlin · Für Verteidigungsminister de Maizière ist es die schwerste Woche seiner Amtszeit. Am Mittwoch muss er erklären, wie es zum „Euro Hawk“-Debakel kommen konnte. Und er wird Konsequenzen ziehen. Welche, ist noch offen.

Eigentlich wollte Verteidigungsminister Thomas de Maizière an diesem Wochenende zu einer Sicherheitskonferenz nach Singapur reisen. Das Debakel um die Riesendrohne "Euro Hawk" hat die Planung des CDU-Politikers über den Haufen geworfen. Statt sich um die großen sicherheitspolitischen Zusammenhänge zu kümmern, muss er sich weiter in die Details eines gescheiterten Rüstungsprojekts vertiefen. De Maizière steht dabei gar die schwerste Woche seit seinem Wechsel aus der sächsischen Landespolitik in die Bundesregierung vor acht Jahren bevor. Am Mittwoch muss er den Bundestagsausschüssen für Verteidigung und Haushalt eine Liste von Fragen beantworten, die in den vergangenen drei Wochen immer länger geworden ist.

Warum wurde das milliardenschwere Rüstungsprojekt erst jetzt gestoppt, obwohl die Probleme bei der Zulassung des unbemannten Flugzeugs für den europäischen Luftraum spätestens im Dezember 2011 bekannt waren? Wieviele hundert Millionen Euro Steuergeld wurden tatsächlich in den Sand gesetzt? Und was wird aus dem Nato-Projekt "Global Hawk", für das sich die selben Probleme wie bei der Schwester-Drohne "Euro Hawk" anbahnen?

Erst in den letzten Tagen ist noch eine weitere Frage hinzukommen, die die bisherige Diskussion auf den Kopf stellen könnte. Wäre der "Euro Hawk" vielleicht doch noch zu retten gewesen? Hat de Maizière das Projekt also nicht zu spät, sondern vielleicht doch zu früh gestoppt? Diese Auffassung vertritt die Rüstungsindustrie. Die Zertifikate für eine Zulassung wären schon für 200 Millionen Euro zu haben gewesen, heißt es. Das Verteidigungsministerium spricht von 500 bis 600 Millionen Euro.

Und auch der Darstellung, die Drohne sei nur unzureichend vor Zusammenstößen mit anderen Fliegern geschützt, widersprechen der europäische Rüstungskonzern EADS und der amerikanische Partner Northrop Grumman gemeinsam. "Das ganze Euro-Hawk-System, einschließlich des Steuersystems und der Sensorik, hat einwandfrei und sicher über die gesamte Testphase hinweg funktioniert", erklärten sie jüngst.

Die schwierigste Frage, die der Minister beantworten muss, ist die nach der Verantwortung. Dabei wird ihm zugute kommen, dass seit 2001 drei Regierungen und fünf Verteidigungsminister am Projekt beteiligt waren. Unter Rot-Grün wurde es in die Wege geleitet, der Vertrag wurde zu Zeiten der großen Koalition geschlossen. Es sind inzwischen mehrere Dokumente aufgetaucht, die darauf hindeuten, dass das Verteidigungsministerium die Zulassungsprobleme schon weit vor der Vertragsunterzeichnung im Januar 2007 hätte erkennen können. Nach offizieller Lesart waren sie aber erst Ende 2011 bekannt. Danach dauerte es noch eineinhalb Jahre, bis Minister de Maizière die Reißleine zog.

Bei der Beurteilung seiner Rolle in der "Euro Hawk"-Affäre wird auch das Krisenmanagement eine gewichtige Rolle spielen. Und dafür muss er schon jetzt massive Kritik einstecken. Der 59-Jährige schickte erst seinen Staatssekretär Stéphane Beemelmans vor, um das Desaster zu erklären. Dann setzte er eine 40-köpfige Arbeitsgruppe ein, die ausgerechnet der für die "Euro Hawk"-Beschaffung mitverantwortliche Abteilungsleiter für Rüstung, Detlef Selhausen, leitet.

Selhausen, Beemelmans, de Maizière - alle drei sind Kandidaten für mögliche personelle Konsequenzen. Rücktrittsforderungen gegen den Minister gab es bisher nur von der Linken - der einzigen im Bundestag vertretenen Partei, die an keiner der mit der "Euro Hawk"-Entwicklung befassten Regierungen beteiligt war. SPD und Grüne wollen zunächst den Mittwoch abwarten.

Für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wäre es ein massiver Rückschlag, wenn ihr mitten im Wahlkampf einer ihrer stärksten Leute abhanden käme. Sie hat ihm zwar ihr Vertrauen ausgesprochen, doch äußerte sie sich in einem "Spiegel"-Interview am Wochenende auffallend zurückhaltend zum Krisenmanagement ihres Ministers. "Thomas de Maizière nimmt sich die notwendige Zeit, um dem Bundestag eine möglichst umfassende Übersicht über den Sachverhalt geben zu können", sagte sie lediglich. "Es dauert ja auch nicht mehr lange, bis sein Bericht vorliegt."

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HintergrundWegen der neuen Enthüllungen zum Fall "Euro Hawk" hat Grünen-Fraktionschefin Renate Künast die Eignung von Thomas de Maizière (CDU) als Verteidigungsminister in Frage gestellt. "Es wird jetzt sehr eng für de Maizière. Es sieht so aus, als habe er sein eigenes Haus nicht im Griff", sagte sie der SZ. Anders sei nicht zu erklären, dass so viele Millionen in den Sand gesetzt werden konnten. Zudem sei sein Staatssekretär Stéphane Beemelmans offenbar schon früh und umfassend über die Probleme beim "Euro Hawk" informiert gewesen: "Es stellt sich die Frage, ob de Maizière seine Verantwortung richtig wahrnimmt und sein Ministerium richtig führt." kol

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