Erwartungen an G20 Ist dieser Gipfel eine Zäsur?

Hamburg · Die Erwartungen an die G20 sind gedämpft. Es könnte dennoch spannend werden.

(dpa) Verkehrte Welt beim G20-Gipfel in Hamburg: Gastgeberin Angela Merkel bekommt für das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Top-Wirtschaftsmächte Rückendeckung ausgerechnet von Kremlchef Wladimir Putin und Chinas Staatschef Xi Jinping. Die wollen sich für freien Handel und Klimaschutz stark machen und so auch der Kanzlerin zum Erfolg bei dieser heiklen Runde in Hamburg verhelfen, die so wenig Übereinstimmung und Aufbruch verspricht. Denn die bisher engsten Verbündeten, die USA, fahren mit ihrem Präsidenten Donald Trump einen Abschottungskurs. Am Ende könnte es 19:1 stehen. Alle gegen einen oder umgekehrt. Eine Welt in Unruhe, sagt Merkel.

Ist dieser G20-Gipfel eine Zäsur? Gibt es eine Kräfteverschiebung, gar eine neue Weltordnung? Merkel will unbedingt verhindern, dass am Ende dieses Gipfels alle gegen Amerika votieren. In Sachen Klimaschutz wird es aber extrem schwer, eine gemeinsame Abschlusserklärung hinzubekommen. Nach der Abkehr Washingtons vom Pariser Klimaschutzabkommen müsste das Thema wohl ganz aus dem geplanten zehnseitigem Kommuniqué verschwinden, um Einmütigkeit zu erzielen. So weit will Merkel aber nicht gehen. Sie mahnt: „Natürlich werden wir auf der anderen Seite Dissens nicht übertünchen, sondern Dissens auch benennen.“

Trump ist Merkels wohl schwierigster Gast. Sie trifft ihn am Donnerstagabend im kleinen Kreis im Hotel „Atlantic“ und spricht mit ihm über die Streitthemen. Da weiß sie schon, dass sich Trump und Putin am Freitag in Hamburg erstmals persönlich treffen werden  – und zwar parallel zur Klimaschutz-Sitzung des G20-Gipfels. Ein Affront. Oder ist das Schwänzen einer der wichtigsten Sitzungen dieses Gipfels Trumps Statement dazu? Der neue starke Mann im Weißen Haus verzichtet zwar diesmal auf scharfe Kritik an den Deutschen und ihrer Handelspolitik. Er wettert aber kurz vor dem Gipfel gegen Putin und Xi. Obwohl er anfangs Russland noch so freundlich gesonnen war, teilt Trump heftig gegen Putin aus. So kündigt er bei seinem umjubelten Besuch in Warschau Schritte gegen das „destabilisierende Verhalten“ Moskaus an.

Aber noch ein problematisches Kaliber kommt: der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. Auch mit ihm trifft sich Merkel am Abend im „Atlantic“. Erdogan teilt zuvor noch einmal kräftig gegen die Bundesregierung aus und beschwert sich drastisch, dass er am Rande des G20-Gipfels nicht vor Landsleuten in Deutschland reden darf. Die Bundesregierung hatte das mit Verweis auf die angespannte Sicherheitslage abgelehnt. Ankara bat aber um das Gespräch mit Merkel, das Merkel genutzt haben dürfte, um Rechtsstaatsverletzungen in der Türkei anzusprechen – nicht zu vergessen die Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel.

Merkel verteidigt die internationalen Gipfel G7 und G20 immer mit dem Argument, es sei wichtig, dass die Staats- und Regierungschefs miteinander reden  – auch wenn sie keine Beschlüsse fassen und die Abschlusserklärungen wachsweich sind. Dass die vielen Teilnehmer wirklich diskutieren, wird zunehmend bezweifelt.

Der Entwurf für eine gemeinsame G20-Abschlusserklärung enthält noch zahlreiche „eckige Klammern“. Die Sherpas – die Gipfelexperten der Staats- und Regierungschefs – haben nach der gestrigen Prognose Merkels „noch zwei Nächte lang gut zu tun“. Dann ist es Chefsache, bis Samstagnachmittag ein Papier auszuhandeln, das einstimmig verabschiedet werden kann. 

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