Griechenland startet Operation Ost

Athen · Seit gut zwei Monaten ist die neue griechische Regierung im Amt. Bei den Verhandlungen um Reformen gibt es noch keinen Durchbruch. Heute stattet Regierungschef Tsipras Moskau einen Besuch ab. Athen sucht in Russland und China neue Bündnispartner – und potenzielle Geldgeber.

Kaum waren die landesweit 19 449 Wahllokale in Hellas geschlossen, verkündete Panos Kammenos, bulliger Chef der "Unabhängigen Griechen" (Anel), vor versammelter Journalistenschar: "Die Griechen haben von diesem Moment an eine neue Regierung. Alles andere wird ihnen der neue Premier Alexis Tsipras mitteilen". Zuvor hatte er den strahlenden Wahlsieger Tsipras aufgesucht. Im Büro des Syriza-Chefs machte das Duo Tsipras/Kammenos den denkwürdigen Deal perfekt - im Eiltempo. Nahezu unbemerkt passierte just an jenem Montagvormittag Ende Januar ein ganz anderer Besucher den Eingang der Syriza-Parteizentrale. Auch er suchte Tsipras auf: Andrej Maslow, der russische Botschafter in Athen . Maslow war der erste Diplomat, den Tsipras nach seinem Wahlsieg traf. Unmittelbar danach stemmten sich die Griechen gegen neue EU-Sanktionen gegen Moskau .

Alles nur ein Störfeuer? Beobachter erklärten, Tsipras handele sehr wohl "mit Kalkül". Er wolle "die Einheitsfront des Westens brechen" und "stütze damit Wladimir Putins Strategie". Im Gegenzug würde der Moskauer Herrscher dem klammen Hellenen in seinem Kampf gegen den erneut drohenden Staatsbankrott gerne mit Geld helfen - und damit Athens verhasste öffentliche Gläubiger aus EU, EZB und IWF brüskieren.

Fakt ist: Ursprünglich wollte Tsipras erst Anfang Mai anlässlich des 70. Jahrestages des Sieges über Nazi-Deutschland nach Moskau fliegen. Nun wird er sich schon heute mit Putin treffen. Flugs berichtete die Athener Gazette "Ta Nea", die vorgezogene Reise habe mit der akuten Geldknappheit Griechenlands zu tun. Denn die Zeit drängt. Schon morgen muss das ewige Euro-Sorgenland eine Kredittranche von 467 Millionen Euro an den IWF zurückzahlen. Ferner muss Athen Mitte April kurzfristige Staatsanleihen im Wert von stattlichen 2,4 Milliarden Euro refinanzieren. Russland hat bereits Interesse bekundet, Athen unter die Arme zu greifen. Finanzminister Anton Siluanow erklärte kürzlich, würden die Griechen Moskau um einen Kredit ersuchen, "würden wir das definitiv prüfen". Das ist aber bis dato nicht passiert. Wirtschaftlich macht das auch wenig Sinn, jedenfalls für die Griechen. Russland ist für Athen kein wichtiger Absatzmarkt: Nur 1,5 Prozent der griechischen Exporte gingen 2013 dorthin. Fakt ist aber auch: Russland kassiert von den Griechen überdurchschnittlich hohe Preise für seine Erdgaslieferungen, Athen strebt daher Preissenkungen an. Nur: Können sich die Griechen dafür einen Affront gegen die EU-Partner leisten?

Moskau könnte ein Kreml-Investment am Peloponnes hingegen sehr wohl politisch nutzen. Denn EU-Sanktionen setzen Einstimmigkeit voraus. Tsipras‘ Regierung könnte somit Brüsseler Beschlüsse gegen Russland schlicht blockieren - allerdings um den Preis einer totalen Isolation in der EU. Beide Athener Koalitionäre pflegten schon vor der Machtübernahme den engen Kontakt nach Moskau . Pikant: Anel-Chef Kammenos soll auch mit dem Umkreis von Alexander Dugin in Verbindung stehen. Der Russen-Hardliner plädiert für ein von Russland beherrschtes Europa. Wie Premier Tsipras stammen viele führende Syriza-Politiker aus der stalinistisch-orthodoxen Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE).

Derweil strecken Tsipras und Co. ihre Fühler auch ins ferne China aus. Nach seiner Moskau-Visite will Tsipras schon bald nach Peking . Nach SZ-Informationen will die hellenische Vorhut in diesen Tagen den Weg für chinesische Firmen ebnen, die im großen Stil in die Infrastruktur Griechenlands investieren sollen. Genau solche Geschäfte fordert China im Gegenzug für Kredite an notleidende Länder. Auf schmerzliche Spar- und Reformauflagen verzichtet Peking hingegen in der Regel. Für die Griechen wäre dies ein Segen.

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