Urteil gegen Italien wegen Polizeigewalt

Straßburg · Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat das brutale Vorgehen italienischer Polizisten gegen einen 62 Jahre alten Demonstranten beim G8-Gipfel 2001 in Genua als Folter gewertet. Er verurteilte Italien zu 45 000 Euro Schadenersatz.

Der Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hat Italien wegen eines brutalen Polizeieinsatzes am Rande des G8-Gipfels in Genua im Juli 2001 verurteilt. Ein Globalisierungskritiker sei damals grundlos geschlagen und getreten und damit Opfer von "Folter " geworden, urteilten die Straßburger Richter gestern. Der Gerichtshof kritisierte, dass die gewalttätigen Polizisten wegen Mängeln des italienischen Strafrechts nie identifiziert und bestraft wurden.

Der Gipfel der sieben größten Wirtschaftsnationen und Russlands (G8) im Juli 2001 in Genua war von wahren Straßenschlachten zwischen Globalisierungsgegnern und Polizisten überschattet worden, bei denen hunderte Menschen verletzt wurden. Für Entsetzen sorgte der Tod eines 23-jährigen Demonstranten , der Polizisten angegriffen hatte und von einem Beamten durch einen Kopfschuss getötet wurde. Das Straßburger Menschenrechtsgericht befasste sich nun mit der Erstürmung einer Schule durch die Polizei in der Nacht nach Gipfelende. Die Diaz-Pertini-Schule war Globalisierungsgegnern als Schlafplatz angeboten worden. Die Polizei hatte dem Gericht zufolge Hinweise, dass schwarz gekleidete junge Männer in die Schule eingedrungen waren, Beamte einer Sondereinheit sollten das Gebäude durchsuchen. Bei dem Einsatz ging die Polizei äußerst brutal vor. Unter anderem schlugen Polizisten mit Schlagstöcken auf einen damals 62-jährigen Italiener ein, traten ihn und brachen ihm mehrere Knochen. Der Mann leidet noch heute unter den Folgen der Polizeigewalt und verklagte Italien vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Das Gericht urteilte nun, der brutale Einsatz der Polizei sei durch nichts zu rechtfertigen gewesen. Der Kläger habe sich beim Eindringen der Polizei mit erhobenen Händen an eine Wand gesetzt und den Beamten keinen Anlass zur Gewalt gegeben. Die Polizisten hätten vielmehr "willkürlich" zugeschlagen. Der Kläger sei somit Opfer von "Folter " geworden. Der Menschenrechtsgerichtshof verwies auf ein Urteil des Obersten italienischen Gerichtshofes, der den Polizeieinsatz als "Strafaktion" bezeichnet hatte, deren Ziel es gewesen sei, Menschen zu demütigen und ihnen körperliches und psychisches Leid zuzufügen. Die Straßburger Richter sprachen dem 1939 geborenen Italie ner 45 000 Euro Schadenersatz zu. Italien kann gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen.

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