Eine Wohnung, ein Beitrag - und kein EntkommenWas man in anderen Ländern zahlt

Dänemark: Dort zahlen 92 Prozent aller Haushalte pro Monat umgerechnet 23,60 Euro (196 Kronen) als "Medienlizenz". Knapp 90 Prozent der dadurch eingenommenen Mittel gehen an den öffentlich-rechtlichen Sender DR. Der zweite öffentlich-rechtliche Sender, TV2, wird bis auf Regionalprogramme ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert

Dänemark: Dort zahlen 92 Prozent aller Haushalte pro Monat umgerechnet 23,60 Euro (196 Kronen) als "Medienlizenz". Knapp 90 Prozent der dadurch eingenommenen Mittel gehen an den öffentlich-rechtlichen Sender DR. Der zweite öffentlich-rechtliche Sender, TV2, wird bis auf Regionalprogramme ausschließlich durch Werbeeinnahmen finanziert.

Großbritannien: Im Vereinigten Königreich muss jeder Haushalt einen Festbetrag von umgerechnet 15,25 Euro im Monat für die öffentlich-rechtliche BBC bezahlen. Der Betrag ist bis 2016 nach Vorgabe der Regierung eingefroren worden, um die Haushalte vor weiteren Belastungen zu schützen. Für die BBC summierten sich die Gebühreneinnahmen im abgelaufenen Geschäftsjahr auf etwa 3,6 Milliarden Pfund. Der zweite öffentlich-rechtliche Sender, Channel 4, ist werbefinanziert.

Österreich: In Österreich bezieht der öffentlich-rechtliche ORF Rundfunkgebühren. Jeder Haushalt muss eine Abgabe bezahlen, wenn mit einem Gerät Fernseh- oder Radiosendungen empfangen werden können. Ausnahmen gibt es für sozial Bedürftige. Die Kosten für den Fernsehempfang variieren je nach Bundesland monatlich zwischen 20 und 25 Euro. Wer nur ein Radio besitzt, zahlt weniger. Nach deutschem Vorbild diskutiert der ORF seit einigen Wochen auch über die Einführung einer Haushaltsabgabe.

Frankreich: Der per Steuererklärung anzumeldende Beitrag für den öffentlichen Rundfunk in Frankreich liegt aktuell bei 10,40 Euro pro Monat. Eine Erhöhung ist bereits beschlossen. Etwa zwei Drittel der Etats werden über die Beiträge abgedeckt. Wegen sinkender Werbeeinnahmen fürchten die öffentlichen Sender 2013 ein Defizit von bis zu 100 Millionen Euro.

USA: Obwohl sie ein Nischendasein führen, ist das Vertrauen der Amerikaner Umfragen zufolge zu kaum einem Sender so groß wie zu den öffentlich-rechtlichen NPR (Radio) und PBS (Fernsehen). Werbung gibt es nicht, Gebühren auch nicht. Dafür gibt es Sponsoren, die im Programm erwähnt werden. Zudem leben die Sender von Spenden und Mitgliedsbeiträgen. Vom Staat kommen in diesem Jahr 445 Millionen Dollar. dpa Berlin. Im neuen Jahr gibt es kein Entkommen mehr: Für jeden Haushalt in Deutschland wird ab 1. Januar ein Beitrag für den Empfang von ARD, ZDF und Deutschlandradio fällig. Der Regelbetrag von 17,98 Euro im Monat hängt dann nicht mehr davon ab, ob und wie viele Radio- und Fernsehgeräte in einer Wohnung oder Arbeitsstätte stehen. Mit dem neuen Rundfunkbeitrag wird flächendeckend und lückenlos kassiert. Eine Wohnung, ein Beitrag, lautet die Faustregel. Nachfragen, wer welche Geräte bereithält, sollen entfallen, heißt es aus der Gebühreneinzugszentrale (GEZ) in Köln, die dann als Beitragsservice firmiert.

Mit der Umstellung reagiert die Medienpolitik auf die Internet-Revolution. Ob "Tagesschau" oder "Wetten, dass . . ?" - längst lassen sich die Angebote nicht nur auf dem Fernseher oder Radio empfangen, sondern auch auf PC, Smartphone oder Tablet. Wenn das Handy ein UKW-Radio hat und "Anne Will" in der Mediathek steht, mutet eine Abgabe auf die klassischen Apparate in der Tat ziemlich alt an.

Eines lässt sich bei der Reform schon jetzt sagen: Herumschnüffelnde GEZ-Kontrolleure an der Haustür wird es nicht mehr geben. Wenn jede Wohnung und jedes Büro, jede Werkstatt und jedes Hotel zahlen muss, ist es egal, wer wo welche und wie viele Geräte besitzt. Für Schwarzseher wird es eng. Die Einwohnermeldeämter teilen dem Beitragsservice Ein- oder Auszüge mit.

Für die meisten Bürger wird sich vermutlich wenig ändern: Sie zahlen heute schon den Höchstbetrag. Rund 600 000 Radiohörer, die keinen Fernseher haben, müssen künftig deutlich tiefer in die Tasche greifen. Statt der Grundgebühr von 5,76 Euro wird dann der volle Betrag fällig - eine Staffelung nach Gerät gibt es nicht mehr. Allerdings dürften rund 1,5 Millionen Menschen auch sparen. So muss pro Wohngemeinschaft nur noch einmal gezahlt werden, egal wie viele WG-Genossen unter einem Dach leben; ähnlich ist es bei Menschen mit eigenem Einkommen, die noch bei den Eltern wohnen: Zahlen die Eltern die Gebühr, hören und schauen die Kinder ohne Abgabe. Für Behinderte gibt es eine Sozialklausel, bei Hotels und anderen Betrieben wird der Beitrag gestaffelt.

Grundlage des Modells ist ein Gutachten des früheren Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Allein die Möglichkeit, öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu empfangen, mache die Abgabe zur Pflicht, schrieb Kirchhof. Im 15. Rundfunkstaatsvertrag legten die Länder den neuen Bezahlmodus fest. Ohne eine Reform, sagt Medienpolitiker Martin Stadelmaier (SPD), würde der öffentlich-rechtliche Rundfunk bis 2020 wegen der demografischen Entwicklung etwa eine Milliarde an Einnahmen verlieren. "Ob es bei den 17,98 Euro im Monat bleibt, ist noch unklar", sagt der Medienwissenschaftler Joachim Trebbe (Freie Universität Berlin). Das werde davon abhängen, ob mit dem neuen Modell die Einkünfte der öffentlich-rechtlichen Sender von zur Zeit rund 7,5 Milliarden Euro im Jahr auf diesem Niveau gehalten werden.

Die Reform hat nicht nur Freunde. Bei den Landtagen gingen hunderte Beschwerden ein. Der Passauer Jurist Ermano Geuer klagt vor dem Bayerischen Verfassungsgericht gegen die Gebühr. Jeder müsse den Beitrag zahlen, egal ob er die Leistung in Anspruch nimmt oder nicht, kritisiert Geuer.

Digitalkanäle, Mediatheken, Internet - tatsächlich haben ARD und ZDF in den vergangenen Jahren deutlich auf Expansionskurs gesetzt. Die Sender argumentieren unter anderem, wenn sie die jüngere Generation erreichen wollten, müssten sie vor allem online präsent sein. Ohnehin laufe die technische Entwicklung auf die Verschmelzung der Empfangsgeräte hin. Nicht alle sind von den Argumenten überzeugt - die Presseverleger etwa. Für sie ist die kostenlose "Tagesschau"-App eine aus Gebühren finanzierte Internet-Zeitung und damit unlautere Konkurrenz. Die Privatsender reiben sich an den Ausgaben für Bundesligarechte und andere Sportevents aus dem Milliarden-Topf der Gebühren.

Für den Medienwissenschaftler Trebbe werden mit der Gebührenreform die Angebote von ARD und ZDF stärker in die Diskussion geraten. Die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen sei zwar in einem halben Dutzend von Urteilen zementiert. "Aber dadurch, dass die neue Bereitstellungsgebühr in die Nähe einer steuerähnlichen Finanzierung rückt, die sehr umstritten ist, werden sich Zuhörer und Zuschauer fragen, was sie tatsächlich aus dem ganzen Angebot nutzen."

Hintergrund

Bei ihrer Jagd auf Schwarzseher macht die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) keine Kompromisse - mit skurrilen Folgen. So forderte sie 2003 von einer "Frau Walburga ST" im Münsterland unter Androhung von 1000 Euro Bußgeld die Entrichtung von Rundfunkgebühren. Jedoch handelte es sich bei der vermuteten Schwarzseherin um die Heilige Walburga, Schutzpatronin einer katholischen Kirchengemeinde. 2010 berichtete die Zeitung "tz" von einem Brief der GEZ, der an Orlando Henne adressiert war. Allerdings handelte es sich dabei um den Hund eines Münchners. Auch bereits Verstorbene wurden öfter mal angeschrieben. dpa

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