Durchbruch oder Katastrophe

Brüssel. Als Zyperns Präsident Nikos Anastasiades gestern Nachmittag in Brüssel ankam, stand die Zukunft seines Landes auf des Messers Schneide. "Es wurde viel Zeit vertan, jetzt bleiben nur noch harte Entscheidungen", fasste Währungskommissar Olli Rehn die Situation zusammen

 "Troika, geh nach Hause", sagt dieses Graffiti in Nikosia. Die Zyprer fürchten die Sparauflagen der EU. Foto: christodoulou/dpa

"Troika, geh nach Hause", sagt dieses Graffiti in Nikosia. Die Zyprer fürchten die Sparauflagen der EU. Foto: christodoulou/dpa

Brüssel. Als Zyperns Präsident Nikos Anastasiades gestern Nachmittag in Brüssel ankam, stand die Zukunft seines Landes auf des Messers Schneide. "Es wurde viel Zeit vertan, jetzt bleiben nur noch harte Entscheidungen", fasste Währungskommissar Olli Rehn die Situation zusammen. Zwar hatte sich die Führung in Nikosia inzwischen mit den Vertretern der internationalen Troika auf ein Konzept zur Sanierung geeinigt. Aber ob der Plan auch den Segen der versammelten EU-Spitze sowie der Euro-Gruppe bekommen würde, war noch lange nicht klar.

Dabei hatte sich Zypern über das Wochenende durchaus bewegt: Die Zerschlagung mindestens einer Großbank war ebenso beschlossen wie ein Nationaler Solidaritätsfonds, aus dem man den umstrittenen Eingriff in die Rentenkasse wieder gestrichen hatte. Stattdessen sollten nun doch die Anleger bluten: Wer mehr als 100 000 Euro auf dem Konto hat, muss mindestens vier Prozent abgeben. Es sei denn, er ist Kunde des größten Geldinstitutes Bank of Cyprus - dann wird ein Fünftel des Guthabens einbehalten. Um welche Summen es dabei geht, wurde erst in den letzten Tagen bekannt. Insgesamt horten die Geldhäuser der Insel 68 Milliarden Euro, davon liegen 38 Milliarden auf Konten mit mehr als 100 000 Euro - erstaunliche Zahlen für ein Land, das nur rund 880 000 Einwohner hat. Kein Wunder, dass sich Präsident Anastasiades und seine Regierung lange wanden, ehe sie sich zu einer umstrittenen Teil-Enteignung dieser lukrativen Anleger-Gruppe entschlossen.

Als gegen 18 Uhr schließlich die Euro-Finanzminister in Brüssel vorfuhren, standen die Zeichen immer noch auf Härte. "Wenn uns nicht vorgelegt wird, was wir für eine tragfähige Entscheidung brauchen, wird es keine Rettung geben", betonten einige der Minister. Tagsüber hatten bereits namhafte Banker für einen konsequenten Kurs gegenüber Zypern plädiert. "Es wäre das kleinere Übel, wenn Zypern den Euro-Raum verließe", sagte beispielsweise der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Mayer. "Aber es darf keinen Präzedenzfall für den erfolgreichen Aufstand gegen Auflagen der Euro-Retter geben." Die Botschaft kam an. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble unterstrich jedenfalls: "Ich lasse mich nicht erpressen."

Tatsächlich ging es den Kassenwarts der Währungsunion nicht nur um die Frage, ob die zyprische Regierung den Eigenanteil von rund 5,8 Milliarden Euro zusammenkratzen konnte, sondern ob das langfristige Ziel einer vollen Schuldentragfähigkeit erreichbar bleibt. Deshalb sei es eben nicht egal, woher Nikosia das Geld nehme. Denn wenn dadurch der Schuldenstand des Landes explodieren sollte, wäre auf lange Sicht keine Gesundung möglich. Und außerdem mochten die Euro-Partner mitnichten akzeptieren, dass wohlhabende Konteninhaber, die in Zypern erst niedrige Zinsen, anschließend lasche Geldwäsche-Kontrollen und schließlich gewaltige Gewinne genossen hatten, ungeschoren davon kommen würden, während Europas Steuerzahler ihren Beitrag zur Stabilisierung des Landes leisten.

 "Troika, geh nach Hause", sagt dieses Graffiti in Nikosia. Die Zyprer fürchten die Sparauflagen der EU. Foto: christodoulou/dpa

"Troika, geh nach Hause", sagt dieses Graffiti in Nikosia. Die Zyprer fürchten die Sparauflagen der EU. Foto: christodoulou/dpa

"Es ist ganz entscheidend, dass sich die Euro-Gruppe am Sonntagabend auf ein Hilfsprogramm für Zypern einigt", gab der Währungskommissar zu Beginn der Minister-Tagung mit auf den Weg. Ein Vertreter der Runde brachte die Situation auf den Punkt: "Wir wissen nicht, was wir morgen früh haben werden - einen Durchbruch oder die Katastrophe."

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