„Die Türkei braucht Europa mindestens so sehr wie umgekehrt“

Die Türkei muss liefern, wenn sie die Visafreiheit für ihre Bürger will. Das sagt der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber, im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß. Dabei betont er auch, dass die Türkei Europa genauso brauche wie umgekehrt Europa die Türkei.

Herr Weber, ist die Visafreiheit für türkische Bürger nicht bereits gescheitert?

Weber: Ob und wann die Visaliberalisierung kommt, ist offen. Wir sind inmitten eines Prozesses. Die Türkei hat sich im Rahmen des Abkommens mit der EU verpflichtet, alle Kriterien für eine Visaliberalisierung zu erfüllen, so wie es andere Länder auch müssen. Derzeit tut sie das nicht. Deshalb haben wir das Verfahren im Europäischen Parlament gestoppt. Wir warten jetzt auf Signale aus Ankara.

Was könnte der Streit für den Flüchtlingsdeal bedeuten?

Weber: Die Bewältigung der Migrationskrise steht nicht nur auf einem Bein, sondern auf vielen. Wir bauen eine umfangreiche Partnerschaft mit der Türkei auf. Das Abkommen hat bereits dazu geführt, dass in Griechenland fast keine neuen Migranten mehr ankommen, Schleuserstrukturen zerstört sind und wir Flüchtlingen direkt helfen können, die vor Krieg und Terror fliehen. In zwei Wochen soll ein Rückführungsabkommen in Kraft treten, mit dem aus ganz Europa illegale Migranten in die Türkei zurückgebracht werden können. Beide Seiten, die Türkei und Europa, müssen an der Erfüllung ihrer Aufgaben arbeiten.

Wird die Europäische Union am Ende womöglich als Verlierer dastehen, weil sie sich vom türkischen Präsidenten Erdogan abhängig gemacht hat?

Weber: Die Türkei braucht Europa mindestens so sehr wie umgekehrt. Sie hat beispielsweise fast drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen und braucht zur Versorgung unsere Hilfe. Ebenso ist die türkische Wirtschaft auf die Zusammenarbeit mit Europa und ihrem 500-Millionen-Menschen-Wirtschaftsraum angewiesen. Das Abkommen mit der Türkei ist Vorbild für weitere Abkommen mit unseren Nachbarn in Nordafrika. Wir werden die Migrationsströme auf Dauer nur gemeinsam bewältigen.

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