Wenig Begeisterung im Saarland

Saarbrücken · „Kesselflickerei“ sagen Arbeitnehmervertreter, eine „Gefahr für den Arbeitsmarkt“ nennen ihn Wirtschaftsverbände. Dem Kompromiss in Sachen Leiharbeit können beide Seiten im Saarland nicht viel abgewinnen.

Eine Verschärfung der Regeln zur Leiharbeit könnte im Saarland Jobs kosten. Damit rechnet Joachim Malter, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der saarländischen Unternehmensverbände. "Die Neuregelung wird Flexibilität in den Firmen beseitigen, weil Zeitarbeit teurer wird", so Malter. Dies könne dazu führen, dass Unternehmen, in denen Leiharbeiter Arbeit preiswert verrichten - zum Beispiel in der Automobilzuliefererbrache - ihre Produktion ins Ausland verlagern. Malter befürchtet auch, dass der Effekt, weniger Qualifizierte durch Zeitarbeit in die Arbeitswelt einzugliedern, durch die Neuregelung zurückgehen könnte.

Malters These, die Neuregelung der Zeitarbeit führe zum Verlust von Arbeitsplätzen, ist umstritten und trifft wohl nur auf Firmen zu, die selbst noch keine klaren Regeln für den Umgang mit Leiharbeit haben. Zwar arbeiten mit 12 600 Personen im Saarland im Vergleich zur gesamten Republik überdurchschnittlich viele Menschen in Leiharbeit . Noch ist aber unklar, wie viele Leiharbeiter im Saarland überhaupt von der Neuregelung betroffen sind. Denn gerade in größeren Betrieben mit Leiharbeitern, wie Ford in Saarlouis oder der Dillinger Hütte , gelten schon länger Betriebsvereinbarungen mit teilweise für Leiharbeiter besseren Konditionen als im Entwurf der Koalitionäre. Weder für diese Unternehmen noch für die Leiharbeiter würde ein neues Gesetz zur Zeitarbeit also eine Änderung bringen. So sieht auch Heino Klingen, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Saar "keine gravierenden Auswirkungen auf die Beschäftigten in Zeitarbeit". Jetzt müsse aber noch geklärt werden, was gleiche Bezahlung wirklich heiße. "Nimmt das auch Zusatzleistungen wie Weihnachtsgeld mit ein?", fragt Klingen. Hier sei in der Koalition keine klare Antwort gegeben worden. Ein Wermutstropfen sei auch die steigende Bürokratie bei der Entsendung hoch bezahlter Spezialisten. "Wenn ein Fachmann über längere Zeit verliehen wird, um in einer Firma eine IT-Infrastruktur aufzubauen, gibt es einen hohen Aufwand um seine Fristen zu verlängern", so Klingen.

Arbeitnehmervertreter sehen im Kompromiss der Koalition einen Schritt in die richtige Richtung. "Er löst aber die Probleme nicht und ist nur Kesselflickerei", ist Markus Thal, Betriebsratschef bei Ford in Saarlouis überzeugt. Dort sind zur Zeit 495 Leiharbeiter beschäftigt. "Für uns im Betrieb ändert sich nichts", so Thal. Die Betriebsvereinbarung zur Leiharbeit bei Ford sei über weite Strecken besser als der Kompromiss der Koalition. "Bei uns gibt es für Leiharbeiter ab dem ersten Tag dasselbe Entgelt", so Thal. Im Saarland arbeiten besonders viele Leiharbeiter in der Metallindustrie. Robert Hiry ist erster Bevollmächtigter der IG Metall in Völklingen. Auch er glaubt nicht an eine wirkliche Verbesserung der Situation von Leiharbeitern. "Die Neuregelung führt nur dazu, dass Unternehmen sich vor Ablauf der neun Monate von den Leiharbeitern trennen", ist auch er überzeugt. "Gewünscht hätten wir uns gleiche Bedingungen und gleiche Bezahlung für alle ab dem ersten Tag und eine schnelle Übernahme der Leiharbeiter in ein normales Arbeitsverhältnis."

"Das Ganze ist keine Reform, sondern bestenfalls ein Reförmchen mit Hintertür", so Mark Baumeister, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Saar. Wie der riesige Missbrauch von Werkverträgen, zum Beispiel in der saarländischen Fleischindustrie, künftig verhindert werden könne, sei kein Thema gewesen. Durch die leichte Eingrenzung der Leiharbeit würden Werkverträge noch attraktiver, mit allen im Saarland bekannten Folgen, so Baumeister.

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Hintergrund Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) hat die Einigung der Koalitionsspitzen zu Leiharbeit und Werkverträgen verteidigt. "Man kann sich natürlich immer mehr wünschen", sagte sie gestern. Allerdings werde durch die nun verabredeten Pläne der Einsatz von Leiharbeit und Werkverträgen "auf ein vernünftiges Maß" zurückgefahren. Sie sei "dankbar, dass das geklappt hat". Grundsätzlich seien Leiharbeit und Werkverträge nötig für die Wirtschaft, sagte Nahles. "Wir brauchen das als Flexibilisierungsmöglichkeit bei Auftragsspitzen." Eine missbräuchliche Nutzung müsse aber unterbunden werden. Es werde nun "zum ersten Mal in der Geschichte" eine Regelung geben, die die Rechte der Leiharbeitnehmer stärke. afp

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