Angela Merkel taucht auf

Berlin. Der Satz des Tages kommt von Volker Kauder. Und er stellt damit all das in den Schatten, was Kanzlerin Angela Merkel deutlich engagierter als sonst vorgetragen hat: "Was Schwarz-Gelb macht, was Schwarz-Gelb will, das weiß ich auch nicht", beginnt der Unionsfraktionschef seine Rede zur Haushalts-Generaldebatte im Bundestag. Großes Gelächter bei der Opposition

Berlin. Der Satz des Tages kommt von Volker Kauder. Und er stellt damit all das in den Schatten, was Kanzlerin Angela Merkel deutlich engagierter als sonst vorgetragen hat: "Was Schwarz-Gelb macht, was Schwarz-Gelb will, das weiß ich auch nicht", beginnt der Unionsfraktionschef seine Rede zur Haushalts-Generaldebatte im Bundestag. Großes Gelächter bei der Opposition. So heiter turbulent wird die Sitzung, dass Kauder kaum mehr das sagen kann, was er eigentlich noch sagen wollte: "Ich weiß aber, was die christlich-liberale Koalition will", schiebt er gegen das lautstarke Gejohle hinterher. Hören will das keiner mehr. Was für ein Lapsus, ausgerechnet vom Politprofi Kauder. Mag sein, dass es daran gelegen hat, dass er zu den wenigen im Parlament gehört, die ohne Manuskript sprechen. Aber seinen Kollegen bei Union und FDP sieht man an, wie sie nach diesem Satz innerlich zusammenbrechen. Dabei hatte doch alles ganz gut begonnen für die Koalitionäre. "Wo ist Merkel?", war in den vergangenen Wochen ketzerisch gefragt worden, als Schwarz-Gelb nur durch Streit um Steuern, Hotels oder Gesundheit auffiel; als es in der Republik zur Sache ging wegen der angeblich spätrömischen Dekadenz von Arbeitslosen und einer merkwürdigen Reisepraxis ihres Außenministers Guido Westerwelle (FDP); und als der sexuelle Missbrauch in der Kirche und anderswo die Bürger erschütterte. Auf der Regierungsbank ist zu Beginn der Debatte, als SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier ordentlich loskeilt, zu beobachten: Die Kanzlerin hat sich etwas vorgenommen, sie will wieder auftauchen. Die Köpfe werden zusammengesteckt, sie berät sich mit ihren Ministern, lässt sich von Ursula von der Leyen sogar zweimal einen Zettel mit zusätzlichen Informationen bringen. Und immer wieder klappt sie ihre Mappe auf, um an ihrer Rede etwas zu verändern. Sie beginnt mit einem Angriff auf die SPD, was schon selten genug vorkommt: Die Opposition könne dem gesellschaftlichen Klima im Lande einen Dienst erweisen, wenn sie den Bundespräsidenten mehr respektieren würde, stichelt sie. Horst Köhler war von der SPD scharf attackiert worden, weil er sich in der Sozialstaatsdebatte nicht zu Wort gemeldet hatte. Dann folgt die Bestandsaufnahme, warum der Etat 2010 mit 80 Milliarden Euro Rekordschulden so ist, wie er ist: Die Krise sei schuld, der Einbruch der Realwirtschaft habe gedämpft werden müssen. Die Regierung stehe nun vor einer "Herkulesaufgabe": Haushaltskonsolidierung und Wachstum müssten miteinander vereinbart werden. Die beste Strategie dafür sei, "dass wir möglichst viele Arbeitsplätze schaffen", so die Regierungschefin eindringlich. Merkels Rede ist nicht fulminant, das ist nicht ihr Stil, nicht ihre Begabung. Aber sie hat mehr Leidenschaft als sonst. Ein großes Manko bleibt jedoch: Erneut verrät die Kanzlerin nicht, wie sie den Haushalt sanieren will. Nur so viel: "Wir werden schwierige Sparmaßnahmen vor uns haben." Als sie sich demonstrativ dazu bekennt, dass sich Arbeit und Leistung lohnen müssen, grinst Guido Westerwelle selbstzufrieden. Das ist Balsam für seine Seele. Doch am Ende ihrer Rede fordert sie mehr Offenheit für Veränderungen - und dabei Mäßigung im Ton. Sie wendet sich an die SPD. Es wirkt aber, als ob Westerwelle gemeint ist. Merkels Dämpfer. Für die Opposition bietet ihre Rede viel zu wenig. "Sie stehen vor den Trümmern einer zerrütteten Ehe", schimpft Steinmeier. Die Bundesregierung befinde sich "in einem erbärmlichen Zustand", ätzt der Linke Gregor Gysi. Und Renate Künast ruft Merkel zu: "Das ganze Durcheinander in der Bundesregierung haben Sie zu verantworten!" Nur, keiner spielt an diesem Tag so schön Opposition wie er: Volker Kauder. Wenn auch unabsichtlich.

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