Brexit und Russland Kam der Brexit mit Schützenhilfe aus Russland zustande?

London · Premierministerin Theresa May wirft Moskau vor, sich in Wahlen einzumischen und westliche Gesellschaften mit Hackerangriffen zu destabilisieren.

An jenem Tag, an dem Millionen Briten in die Wahllokale strömten und über die Zukunft des Königreichs abstimmten, tauchten plötzlich auch massenhaft Nachrichten von unbekannten Nutzern via Twitter in ihren Timelines auf. Die meisten warben für den Brexit, stammten aber keineswegs von Landsleuten auf der Insel. Am 23. Juni vergangenen Jahres entschied sich die Mehrheit der Wähler für den EU-Austritt und wie bereits vermutet, aber bislang nur schwer bewiesen werden konnten, bekamen die Europaskeptiker Schützenhilfe aus Russland.

Laut einer noch nicht veröffentlichten Studie von Datenwissenschaftlern der Swansea Universität und der University of California, Berkeley, wurden allein am Tag des Referendums und jenem danach innerhalb von 48 Stunden fast 45 000 Nachrichten von russischen Twitter-Konten abgesetzt – angeblich ein aufeinander abgestimmter Versuch, um Zwietracht zu säen, wie die britische Zeitung „The Times“ nun schreibt. Laut Bericht lenkten mehr als 150 000 von Russland kontrollierte Accounts, die sich zuvor mit Themen wie dem ukrainischen Konflikt befasst hatten, in den Tagen vor der Volksabstimmung ihre Aufmerksamkeit auf den Brexit. Analysen legen laut Zeitung nahe, dass die Tweets hunderte Millionen Male gesehen wurden – und damit auch Einfluss auf das Ergebnis hatten? Einem der Autoren der Studie zufolge lautet die Antwort: Ja.

Bereits am Montag wandte sich Premierministerin Theresa May bei einem Bankett in der City of London mit überraschend deutlichen Worten an Russland. So warf sie der Regierung in Moskau vor, sich illegitimerweise in Wahlen einzumischen und westliche Gesellschaften mit Hackerangriffen und „fake stories“ destabilisieren zu wollen. Die Botschaft der konservativen Regierungschefin: „Wir wissen, was Sie tun. Und Sie werden keinen Erfolg damit haben.“ Viele Brexit-Gegner auf der Insel würden dem widersprechen und verweisen auf die Macht der sozialen Medien bei Abstimmungen. In Bezug auf die Daten sagte Damian Collins, Chef des britischen Ausschusses für Digitales, Kultur, Medien und Sport: „Dies ist bislang der bedeutendste Beweis einer Intervention von aus Russland unterstützen Konten in den sozialen Medien rund um das Brexit-Referendum.“

Dass russische Trolls versuchen, auf die Politik Einfluss zu nehmen, zu diesem Schluss kommt jedoch auch eine andere Studie der Universität Edinburgh, berichtet der „Guardian“. Nach dem Terroranschlag auf der Londoner Westminster-Brücke im März kursierte in den sozialen Medien ein Foto einer Muslimin, die ein Telefon in der Hand, die andere Hand an ihrer Wange, an einem der am Boden liegenden Opfer vorbeigeht, das von Ersthelfern versorgt wurde. Das Bild mit dem unterschwelligen Vorwurf, die Frau lasse die Katastrophe kalt, ging viral und wurde im Anschluss in zahlreichen Medien veröffentlicht. Die Folge waren rassistische Ressentiments. Nun stellte sich laut Bericht heraus, dass der Tweet von einem russischen Konto, das von einer angeblich Kreml-nahen Organisation betrieben werde, stammte. Die Organisation scheine laut Collins zu versuchen, die Gesellschaft zu spalten und die Politik zu destabilisieren.

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