Göttlicher Segen - auch für Huhn und Pute

Dortmund. Die Altersbeschwerden machen Sandy zu schaffen. Von einem Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren hat sich die 15-jährige Hundedame nicht erholt. Besitzerin Marianne Heibrok bringt den Golden Retriever deshalb jede Woche zur Massage - und trifft deshalb oft auf Unverständnis

Dortmund. Die Altersbeschwerden machen Sandy zu schaffen. Von einem Bandscheibenvorfall vor zwei Jahren hat sich die 15-jährige Hundedame nicht erholt. Besitzerin Marianne Heibrok bringt den Golden Retriever deshalb jede Woche zur Massage - und trifft deshalb oft auf Unverständnis. Sie wolle ihr Tier nicht vermenschlichen, sagt Heibrok, sondern Sandys Leiden lindern, ohne sie einschläfern zu müssen.Das ist die eine Seite der Medaille. Zugleich aber meldet der Deutsche Tierschutzbund zunehmend überlastete Heime, weil viele Besitzer ihre Hunde und Katzen wegen eines anstehenden Urlaubs oder zu hoher Kosten als Ballast empfinden. Das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Tier steht im Mittelpunkt des ersten ökumenischen Kirchentages Mensch und Tier vom 27. bis 29. August in Dortmund. Nach dem Vorbild der großen Kirchentage werde es über 50 Veranstaltungen geben, kündigt der evangelische Pfarrer und Mitinitiator Friedrich Laker vom Bundesvorstand "Aktion Kirche und Tiere" (Akut) an. Die Palette reicht dabei von Bibelarbeiten über Podiumsdiskussionen und Konzerte bis zum großen Abschlussgottesdienst. Politisches Ziel sei eine gemeinsame Erklärung von Menschen verschiedener Religionen und gesellschaftlicher Gruppen gegen jede Form der Massentierhaltung, erklärt der Dortmunder Theologe. Auch planten Grünen-Politiker eine Initiative für ein neues Tierschutzgesetz. Es sei höchste Zeit, dass aus der Kirche heraus ein gesellschaftspolitisches Signal zu mehr Verantwortung im Umgang mit Tieren gegeben werde, sagt der katholische Theologe Rainer Hagencord. Der Leiter des bundesweit ersten Instituts für Theologische Zoologie an der Uni Münster gehört neben dem Journalisten Franz Alt sowie den Theologen Klaus-Peter Jörns und Eugen Drewermann zu den Referenten des Dortmunder Kirchentages. Bislang werde das Thema Tiere ausgeblendet, kritisiert Hagencord. "Für viele sind Puten und Hühner nur Rohlinge der Nahrungsindustrie, Billigfleisch für den Grill!" Doch sie seien ebenso Teil der Schöpfung wie Pudel oder Kanarienvogel. "Wir wollen aber keine Moralpredigten halten, sondern den Blick weiten", betont Pfarrer Laker, der sich selbst keineswegs als "verbissenen Tierrecht-Aktivisten" sieht. Auch innerhalb der Kirche will der Verband Akut einen Bewusstseinswandel zu einer theologischen Würdigung des Tieres herbeiführen. Das Thema Mensch und Tier tauche weder bei den großen Kirchentagen noch in der theologischen Ausbildung auf, beklagt Laker. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) erklärt dagegen, sie habe sich oft zu Fragen des Tierschutzes geäußert. "Im Verhältnis zu den Tieren geht es nicht allein um Barmherzigkeit und Humanität, sondern auch um Gerechtigkeit", heißt es in einem EKD-Grundlagentext von 1991. Gerechtigkeit ziele dabei nicht darauf ab, Tiere wie Menschen zu behandeln, sondern "tiergerecht, insbesondere artgerecht". Doch nach Ansicht des streitbaren Berliner Theologen Klaus-Peter Jörns hat sich in der Kirche hier nichts bewegt. Der biblische Herrschaftsauftrag aus der Schöpfungsgeschichte "Macht euch die Erde untertan" werde missbraucht, kritisiert er. Der Kirchentag Mensch und Tier sei ein Signal für die Amtskirche, "dass es eine breite gesellschaftliche Bewegung gibt, die bislang abgekanzelt wurde". Das Thema Tierschutz beinhalte für die Kirche auch eine missionarische Chance, ergänzt Pfarrer Laker, der seit 1990 einmal jährlich zum Gottesdienst für Mensch und Tier in Dortmund einlädt. Die Resonanz auf den Kirchentag sei zum Teil "enthusiastisch". Wegen der hohen Nachfrage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz rechnet Akut mit 10 000 Besuchern. Die Veranstaltung wird nach Lakers Angaben nur aus Spenden finanziert und ehrenamtlich organisiert. Zuschüsse von der Kirche gebe es nicht.

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