Steinmeier in Saarbrücken Ein Staatsoberhaupt und viele klare Worte
Saarbrücken · Bei seinem SZ-Besuch spricht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier über Demokratie, seine Rolle – und die Saarländer in der Bundespolitik.
Die unruhige Nacht vom Wochenende ist ihm nicht anzusehen. Freundlich lächelt der Bundespräsident, als er um kurz nach 15 Uhr im Konferenzraum der Saarbrücker Zeitung sitzt, während draußen ein Großaufgebot der Polizei seinen Besuch sichert. Gleich zu Beginn kommt Frank-Walter Steinmeier auf das Zitterfinale der Groko-Bildung in Deutschland zu sprechen, das bange Warten auf das SPD-Mitglieder-Votum am Wochenende. Auch das Staatsoberhaupt hat das Polit-Ringen seit der Bundestagswahl im Herbst umgetrieben – bis zuletzt. Er habe durchaus „etwas unruhig geschlafen in der Nacht von Samstag auf Sonntag“, gesteht der zwölfte Bundespräsident, der mit seiner Frau Elke Büdenbender für zwei Tage auf Antrittsbesuch im Saarland ist.
Die Erleichterung ist ihm anzuhören, dass die Regierungsbildung nun endlich auf der Zielgeraden ist. Dass die „Phase der Verunsicherung“ vorbei ist, seit die Genossen Ja gesagt haben. Eine Verunsicherung, die bei Bürgern „auch Zweifel an der Leistungsfähigkeit der Demokratie“ genährt habe, sagt Steinmeier – und meint damit eine Gefahr. Und ein Thema, das er als das zentrale seiner Präsidentschaft ausgemacht hat.
Das betont der 62-Jährige, der seit einem knappen Jahr im Amt ist. „Mein Thema ist und bleibt die Zukunft der Demokratie. Nicht nur, weil ich es mir ausgesucht habe, sondern weil es das Thema unserer Zeit ist.“ Er sagt es mit Blick auf die Zeiten gesellschaftlicher Unruhe um (wahrgenommene oder reale) soziale Verwerfungen, eines erstarkten Populismus in halb Europa. Vor „neuen Mauern“ auch in Deutschland hatte der Präsident schon zum Tag der Deutschen Einheit gewarnt. Und auch das Warten auf eine Regierung – nicht unerlaubt, wohl aber ungewohnt für die Bundesrepublik – habe zuletzt viele verunsichert. Die Menschen im Land hätten „teilweise mit Unruhe und Unverständnis nach Berlin geblickt“, sagt Steinmeier. Und wirbt für eine Stärkung der Demokratie, in Parteien und Gesellschaft. Und er will selbst handeln. „Ich werde meine Rolle dazu nutzen, Grenzen im demokratischen Diskurs deutlich zu machen, zumal wenn ganze Bevölkerungsgruppen diffamiert werden.“
In dieser Rolle, qua Verfassung eine neutrale mit wenigen Kompetenzen, hatte Steinmeier nach den gescheiterten Jamaika-Sondierungen auch an Union und SPD appelliert, Verantwortung für eine Regierung zu übernehmen. Losgelöst von seiner SPD-Mitgliedschaft, die während seiner Amtszeit ruht. Was mit seinem Appell begann, ist nun fast am Ziel. Wäre eine Groko-Neuauflage gescheitert, hätte das Land vor einer Minderheitsregierung oder Neuwahlen gestanden. Dass es nun nicht so kommt, auch darüber scheint Steinmeier erleichtert.
Dass in der Bundespolitik nun drei Saarländer eine Rolle spielen – neben Heiko Maas (SPD) und Peter Altmaier auch Annegret Kramp-Karrenbauer (beide CDU), erklärt Steinmeier so: „Offensichtlich haben Sie hier ein sehr politisches, auf Diskurs ausgerichtetes Klima im Land, das Politikerbiografien begünstigt.“ Kein Grund zur Klage für das Saarland, sagt er und lächelt präsidial.
Auch zu Fragen der aktuellen Politik hat das Staatsoberhaupt eine präsidiale wie klare Haltung. Von den Krisenherden in der Welt bis zu populistischen Strömungen in Europa. Auch zwei Themen, die Deutschland (parallel zur Regierungsbildung) zuletzt bewegt haben, kommentiert Steinmeier. In der Debatte um Armut und die Lage der Tafeln in Deutschland – und den speziellen Fall der Essener Tafel, die keine ausländischen Neukunden mehr aufnimmt – erklärt er: „Es ist nicht alles auf die Höhe von staatlichen Transferzahlungen zurückzuführen. Klar ist aber auch: Die Politik muss Sorge dafür tragen, dass es nicht zu einer Konkurrenz der Bedürftigen kommt, die sich dann auch noch aggressiv äußert.“
Klar ist seine Haltung auch in der Frage, ob die Nationalhymne geschlechterneutral umformuliert werden müsste. „Nein“, sagt Steinmeier. Kurz, bündig, und nicht unfreundlich. Und dann muss er weiter. Das Saarland erkunden.