Thailand Die Hoffnung auf das Wunder wächst

Mae Sai · Es ist ein Wettlauf gegen den Monsun: Acht von zwölf Jungen wurden glücklich aus der Höhle in Thailand gerettet. Noch ist das Drama aber nicht ausgestanden.

 Banger Blick aufs Handy: Ein junger Mann und eine junge Frau warten am Abend auf Nachrichten über die Jungen, die noch in der Höhle sind.

Banger Blick aufs Handy: Ein junger Mann und eine junge Frau warten am Abend auf Nachrichten über die Jungen, die noch in der Höhle sind.

Foto: dpa/Vincent Thian

Das Provinzkrankenhaus von Chiang Rai ist ein trister Zweckbau. 14 Stockwerke hoch, kleine Fenster bis ganz nach oben, überall riecht es nach Klinik. Aber für Pipat Pho, Spitzname Nick, muss das jetzt so ungefähr der schönste Ort auf Erden sein. Der 15 Jahre alte Thailänder ist einer von acht Jungen, die nach zwei Wochen in fast kompletter Dunkelheit von Spezialtauchern aus ihrer Höhle gerettet wurden. Was bedeutet dagegen schon Krankenhaus? Pipat liegt zusammen mit den ersten drei anderen Geretteten schon seit Sonntagabend im achten Stock der Klinik, in einer Art Quarantäne. Gestern kamen bis zum Abend nach und nach vier weitere Jungen aus der Höhle hinzu. Die Ärzte checken die Spieler der Fußballmannschaft namens Moo Pah („Wildschweine“), die sich am 23. Juni mit ihrem Trainer in der Tropfsteinhöhle Tham Luang-Khun Nam Nang Non, ganz oben an der Grenze zu Myanmar, verirrt hatten, jetzt aufs Gründlichste durch. Der Leiter des Einsatzes, Provinzgouverneur Narongsak Osottanakorn, sagte am Abend: „Sie sind alle sicher und gesund.“

Aber es geht nicht nur darum, ob einer in der Höhle körperliche Gebrechen davon getragen hat. Man hat eine Vorstellung davon, wie Kindern zumute ist, die 15 oder 16 Tage lang Todesängste durchgestanden haben. Und was an seelischen Schäden davon bleiben kann.

Aus Sorge, dass sich jemand unerlaubt Zutritt verschaffen könnte, hat die Polizei den achten Stock der Klinik komplett abgeriegelt. Nur die Nachricht, dass die Kinder sich Pad Kra Pao wünschten, dringt nach draußen: Thai-Hühnchen mit Reis und Basilikum. Am Abend dürfen die ersten Familien dann zu Besuch bekommen. Nach all dem Zittern und Bangen gibt es nun die berechtigte Hoffnung, dass das ganze Drama doch noch ein glückliches Ende nimmt. Viele nennen dies schon ein Wunder.

Doch noch ist es für Erleichterung zu früh. Denn draußen in der Höhle, etwa 50 Kilometer von der Klinik entfernt, müssen die Taucher immer noch um das Überleben der anderen kämpfen. Vier Jungen sind es jetzt noch und der 25-jährige Betreuer. Gestern Abend wurde in Thailand viel darüber spekuliert, dass die Retter heute versuchen könnten, die letzten Fünf allesamt herauszuholen, den Trainer zuletzt

Nach den Erfolgen an zwei Tagen hintereinander hat sich die Stimmung auf jeden Fall deutlich gebessert. Sogar das Wetter spielte mit. Nach all dem Regen schien gestern stundenlang die Sonne. Als der Gouverneur den Beginn der zweiten Rettungsaktion bekanntgab, sagte er: „In ein paar Stunden werden wir gute Nachrichten bekommen.“ Und er behielt Recht.

Aber trotzdem ist allen klar, wie irrsinnig gefährlich nach wie vor diese Idee eigentlich ist: eine Gruppe von Kindern, die keinerlei Erfahrung im Tauchen hat, vier Kilometer durch eine überflutete Höhle zu lotsen. An manchen Stellen ist der Weg so eng, dass die Profitaucher ihre Pressluftflaschen abschnallen müssen – an der engsten Stelle angeblich gerade einmal 40 Zentimeter. Darüber hinaus kann man im Wasser vielerorts kaum sehen. Hier kann man sehr leicht in Panik geraten. Der kleinste Fehler kann tödlich sein. Und keiner hat vergessen, dass bei den Vorbereitungen letzte Woche ein erfahrener thailändischer Taucher ertrank. Wenn selbst Profis das nicht überleben, wie sollen es dann die Kinder schaffen? Manche halten es für ein Wunder, dass bislang alles gut gegangen ist.

Je zwei Retter nehmen die Jungen einzeln ins Schlepptau. Alle stecken in Taucheranzügen, haben Taucherbrillen auf und werden von ihren Begleitern mit Luft versorgt. Sicherheitshalber, so verrät der dänische Taucher Ivan Karadzic, einer aus dem Kernteam von 13 internationalen Profis, verpasste man den Jungen der ersten Vierer-Gruppe aber auch noch starke Beruhigungsmittel. „Wir hatten uns alle möglichen Katastrophenszenarien ausgemalt – Ausrüstung, die kaputt geht, und Kinder, die in Panik geraten, ertrinken oder wiederbelebt werden müssen“, erzählt Karadzic. „Wir waren vorbereitet, doch nichts ist passiert. Alle waren auf ihren Posten und taten genau, was sie sollten.“ Der Däne gehört zu den Tauchern, die gestern erst einmal pausierten. Heute soll es für ihn weitergehen.

Denn noch weiß niemand, wie lange die Aktion noch dauern wird. Für die nächsten Tage sagt der Wetterbericht wieder viel Regen voraus. In Südostasien hat die Monsun-Saison gerade erst begonnen. Deshalb ist der Rettungseinsatz auch ein Kampf gegen die Zeit. Sicher ist nichts. Familien und Freunde müssen sich noch gedulden. Überall wird gebetet, überall laufen die Fernseher.

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