Der Visionär zieht sich zurück

Washington. Der Visionär verabschiedet sich, wie er den Konzern zu dem zeitweilig wertvollsten Unternehmen der USA gemacht hat: mit Stil, ohne Schnörkel und mit sicherem Instinkt

Washington. Der Visionär verabschiedet sich, wie er den Konzern zu dem zeitweilig wertvollsten Unternehmen der USA gemacht hat: mit Stil, ohne Schnörkel und mit sicherem Instinkt. "Ich habe immer gesagt, wenn der Tag kommt, an dem ich meinen Verpflichtungen und Ansprüchen als Vorstandschef bei Apple nicht mehr gerecht werden kann, werde ich Sie das sofort wissen lassen", schreibt Steve Jobs, der wegen Gesundheitsproblemen Anfang des Jahres das Tagesgeschäft bereits vorübergehend an Apples Nummer zwei Tim Cook (50) abgetreten hatte. "Leider ist dieser Tag gekommen." Der 56-Jährige wartete das Ende des Börsenhandels ab, bevor er seinen Rücktritt ankündigte.Sicherlich könnte man argumentieren, "dass Steve genügend seiner DNA in Apple injiziert hat", damit das Unternehmen weitermachen kann wie bisher, sagte Guy Kawasaki, der Ende der achtziger Jahre in der Geschäftsführung des Unternehmens saß. Kaum vermittelbar sei hingegen, wie Apple ohne Jobs besser werden kann, erklärt Kawasaki den drastischen Kursabschlag im nachbörslichen Handel. Apple ist Jobs, und Jobs ist Apple. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, die den hageren Visionär im Rollkragen-Pullover zu einer Ikone der Pop-Kultur erkoren hat. Ein Kultstatus, den kein anderer amerikanischer Wirtschaftsführer mit ihm teilt. "Er ist der größte lebende Unternehmer", huldigen ihm US-Kommentatoren. Nicht ganz zu Unrecht. Jobs hat das Alltagsleben mit seinen Innovationen verändert wie kein Zweiter. Mit neuen Ideen, die er ohne Kompromisse und mit großem Risiko umsetzte. "Es ist nicht die Aufgabe der Verbraucher zu wissen, was sie wollen", brachte er seine Philosophie vor nicht allzu langer Zeit prägnant auf den Punkt, als sich ein Reporter bei ihm erkundigte, welche Marktforschung in den iPad geflossen sei. Seine Antwort: keine.

Die Wunderflunder entstand im Kopf des Meisters. Wie der erste Computer, den er 1976 mit seinem Hippiefreund Steve Wozniak in der Garage seiner Eltern bastelte. Es folgte der Macintosh-Computer, der 1984 erstmals eine grafische Schnittstelle schuf, die mit einer Maus bedient werden kann.

Fast im Alleingang hat der Vordenker ganze Industrien umgestaltet. Er überzeugte die Musikindustrie, Songs für einen Dollar über iTunes zu verkaufen. Und lieferte mit dem iPod einen Musikspieler dazu, von dem Apple bis heute mehr als 314 Millionen Stück verkaufte. Die Basis für den atemberaubenden Wiederaufstieg des Konzerns, der vor der Rückkehr seines Gründers 1997 orientierungslos vor sich hindümpelte. Das gleiche Kunststück gelang Jobs mit dem iPhone, das die Telekom-Branche nachhaltig veränderte. Jobs ignorierte die Unkenrufe der Experten, die das iPad für überflüssig erklärten, und läutete mit dem flachen Tablett die Nach-PC-Ära ein.

"Für die nächsten zwei bis drei Jahre sehe ich wenig Probleme für Apple", tritt David Yoffie von der Harvard Business School den Pessimisten entgegen. "Die nächsten Produkte sind schon in der Pipeline." Der neue iCloud-Service, der Musik, Filme und andere Informationen in der Daten-Wolke speichert, oder die nächste Generation des iPhones und iPads. Nachfolger Cook dürfte dies genauso brillant umsetzen wie in den vergangen dreizehn Jahren.

Die Bewährungsprobe aber kommt danach. Jobs will ihm in der neu geschaffenen Position des "Vorsitzenden" zur Seite stehen. Damit ist er von den täglichen Verpflichtungen entbunden, die der Krebspatient und Empfänger einer Leberspende gesundheitlich nicht mehr schafft. Er bleibt damit so etwas wie der "Gottvater" im Hintergrund, der noch genügend Möglichkeiten hat, seine Liebe zum Detail und sein sicheres Gespür für Design einzubringen.

Meinung

Mit viel Mut zum Risiko

Von SZ-KorrespondentThomas Spang

Der scheidende Apple-Chef hat es mit seinem Genie verstanden, ganze Branchen im Alleingang zu verändern. Damit hat Jobs das Leben von Millionen Menschen rund um den Erdball berührt. Wir hören heute anders Musik, lesen anders Bücher, benutzen unsere Mobiltelefone anders, weil dieser Mann eine Vision hatte, die er mit großem Risiko umsetzte. Jobs ist ein Unternehmer im besten Sinne des Wortes. Einer der etwas wagt, statt auf ausgetretenen Pfaden zu wandeln. Ein Innovator, der nicht nur Gewinne maximiert, sondern wirklich etwas Neues schafft. Damit ist Jobs in den USA ein seltenes Exemplar geworden. Sein gesundheitsbedingter Rücktritt hinterlässt eine Lücke, die schwer zu schließen ist. Mag Nachfolger Tim Cook auch noch so talentiert sein: Der Erfindungsreichtum Jobs, seine Stilsicherheit und Liebe zum Detail - verbunden mit einer großen Idee - lassen sich so ohne Weiteres nicht kopieren.

Hintergrund

1955: Steven "Steve" Paul Jobs kommt am 24. Februar in San Francisco zur Welt. Seine Eltern, ein Syrer und eine Amerikanerin, geben ihn zur Adoption frei. Jobs wächst bei Paul und Clara Jobs im kalifornischen Mountain View auf. 1972: Jobs beginnt am Reed-College in Oregon ein Studium, bricht es aber nach einem Semester ab. Er lebt als Hippie, experimentiert mit psychedelischen Drogen und wird Vegetarier. 1976: Mit seinem Freund Steve Wozniak und dem nach kurzer Zeit aussteigenden Seniorpartner Ronald Wayne gründet Jobs Apple. 1977: Mit dem "Apple II", dem ersten Rechner mit farbiger Grafik, schafft Apple den Durchbruch. dpa

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