Auflösungserscheinungen im republikanischen Wahlkampf-Lager

Washington. In der politischen Wildnis gelten die gleichen Gesetze wie in der Savanne. Wenn die Akteure tödliche Gefahr wittern, suchen sie so schnell wie möglich das Weite. Genau das lässt sich eine Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen im republikanischen Lager beobachten

Washington. In der politischen Wildnis gelten die gleichen Gesetze wie in der Savanne. Wenn die Akteure tödliche Gefahr wittern, suchen sie so schnell wie möglich das Weite. Genau das lässt sich eine Woche vor den US-Präsidentschaftswahlen im republikanischen Lager beobachten. Streit im Team McCain, Mandatsträger, die sich distanzieren, um die eigene Wiederwahl nicht zu gefährden, konservative Kolumnisten, die nach Schuldigen suchen, und Überläufer aus der Bush-Regierung ins Obama-Lager. "McCain verliert und droht die ganze Republikanische Partei mit sich zu nehmen", meint der frühere Redenschreiber George W. Bushs, David Frum, in einem Beitrag für die "Washington Post". Er fordert nun, jeden Wahlkampf-Dollar der Partei statt McCain bedrängten Senatoren zu geben. "Wir nehmen das Geld aus Rennen, die wir gewinnen müssen (...), um einer nationalen Wahlkampagne zu helfen, die fast sicher verliert." Jetzt könne es nur noch darum gehen, eine demokratische Super-Mehrheit im Kongress zu verhindern. Das Vorbild für eine solche Strategie wären die letzten Tage des damaligen Präsidentschafts-Kandidaten Bob Doles, der Senatoren und Repräsentanten half, seine erwartete Niederlage gegen Bill Clinton politisch zu überleben. Fraglich bleibt nur, ob das von Grabenkriegen aufgeriebene Team McCain dazu noch in der Lage ist. Die Koordination zwischen der Wahlkampfzentrale in Arlington und dem Hauptquartier der Republikaner scheint so gut wie völlig zusammengebrochen zu sein. "Es gibt keine Kommunikation", beklagt sich ein ranghoher Republikaner gegenüber der US-Presse.Umso mehr ziehen die Konservativen übereinander her. Die Geister scheiden sich an Vizepräsidentschafts-Kandidatin Sarah Palin, in der die Moderaten die Wurzel allen Übels erkennen. Der einflussreiche Kolumnist David Brooks nennt sie "ein fatales Krebsgeschwür an der Republikanischen Partei", während die frühere Redenschreiberin Ronald Reagans, Peggy Noonan, die Ahnungslosigkeit Palins als "Symptom und Ausdruck einer neuen Vulgarisierung in der amerikanischen Politik" sieht.Reihenweise wechseln frustrierte Zentristen die Seiten. Der prominenteste dürfte Bushs früherer Außenminister Colin Powell sein. Nicht minder bemerkenswert die öffentliche Unterstützung Obamas durch den Ingenieur des Wahlsiegs 2004, Matthew Dowd, und den ehemaligen Pressesprecher des Präsidenten, Scott McClellan. Die jüngste Umfrage der "Washington Post" fand heraus, dass der Demokrat bis zu 22 Prozent der republikanischen Wähler zu sich ziehen könnte.Unter der Überschrift "Auf welcher Seite stehst Du, Kamerad?" ruft Tony Blankley in der "Washington Times" die Parteirechte zu den Waffen. Christliche Fundamentalisten, Waffen-Fetischisten und Nationalisten, die in Palin ihre neue Heldin gefunden haben. Ihre Fans sehen Palin als Opfer eines schlecht gemanagten Wahlkampfs. "Sie hat das Vertrauen in die Leute um sie herum verloren", ventiliert ein Vertrauter, der wie andere in ihrem Lager Wahlkampfmanager Steve Schmidt und McCain-Sprecherin Nicole Wallace für ihr Negativ-Image verantwortlich machen. Unabhängig von der ideologischen Auseinandersetzung machen McCain die ständig wechselnden Botschaften zu schaffen. Über den Lauf der Wochen mutierte er von "Heimat zuerst" über den "Querdenker" und "Populisten" hin zum "Kämpfer", der Amerika vor dem Sozialismus rettet.All das lässt die Stimmung in der McCain-Zentrale von Arlington in der heißen Phase des Wahlkampfs auf den Gefrierpunkt absinken. Während der Kandidat draußen noch um jede Stimme kämpft, bewerben sich führende Mitarbeiter nach Presseberichten bereits um Jobs in der freien Wirtschaft. Ein sicheres Zeichen, dass Gefahr im Verzug ist.

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