Sieben Jahre weniger Leben bis zum Tod

Berlin/Saarbrücken · Wie lange man lebt, hängt auch vom Wohnort ab. Statistisch gesehen bleiben den Menschen in Pirmasens am Ende rund sieben Jahre weniger als in Starnberg. Auch im Saarland lebt es sich kürzer als im Rest der Republik.

Felsengebirge, Biotope, Wald und Wiesen - Pirmasens in der Pfalz liegt in idyllischer Landschaft. Doch nirgends sonst in Deutschland ist die Lebenserwartung niedriger. Dabei ist die Stadt nur ein besonders deutliches Beispiel für das bundesdeutsche Gefälle bei den durchschnittlichen Chancen auf ein langes Leben. Die Unterschiede sind zum Teil riesengroß.

Pirmasens ist mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 73,0 Jahren bei den Männern Schlusslicht. Dicht gefolgt wird die Stadt von Hof in Franken, Emden in Ostfriesland, Suhl und Eisenach in Thüringen. Auch im Saarland ist die Lebenserwartung von Männern nicht besonders hoch. 76,9 Jahre alt werden Neugeborene hierzulande im Schnitt. Das ist der viertniedrigste Wert im Vergleich der 16 Bundesländer. Aber was steckt hinter den Zahlen? Die ehemalige Schuhmachermetropole Pirmasens am Pfälzer Wald ist eine Stadt mit Strukturproblemen und hoher Verschuldung. Eine eher geringe Lebenserwartung gibt es generell auch in weiten Teilen Ostdeutschlands, im Ruhrgebiet und Teilen Frankens - also in eher strukturschwachen Regionen mit Problemen. Das zeigen regionale Daten, die die Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ermittelt hat.

Der höchsten Lebenserwartung erfreuen sich die Männer demnach im reichen Starnberg in Bayern. Dort sind es im Schnitt 81,3 Jahre. Es folgen der teure Hochtaunuskreis bei Frankfurt, München, Böblingen in Baden-Württemberg und der Bodenseekreis.

Bei den Frauen ist die Lebenserwartung im Schnitt deutlich höher als bei den Männern. Schlusslicht ist auch hier Pirmasens mit 77,1 Jahren. Starnberg liegt bei 83,6. Spitzenreiter ist der Kreis Breisgau-Hochschwarzwald mit 85,0 Jahren. Eine Deutschlandkarte des BBSR zeigt Regionen mit hoher Lebenserwartung in sattem rotbraun - vor allem Baden-Württemberg, Teile von Bayern und Hessen sind so eingefärbt. Im Ländervergleich landet das Saarland hier auf dem letzten Platz. Weibliche Neugeborene werden im Schnitt nur 81,8 Jahre alt.

Die geografische Lage allein ist aber nicht die Ursache der Unterschiede. So beträgt die Lebenserwartung etwa in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet bei den Männern im Schnitt nur 75,2 Jahre - in der 70 Kilometer entfernten, gediegenen Universitätsstadt Münster liegt sie 4,3 Jahre darüber.

Solche großen Unterschiede gibt es im Saarland nicht. Bei den Männern liegt der Saarpfalz-Kreis mit 77,5 Jahren an der Spitze. Besonders kurz leben Männer im Regionalverband Saarbrücken mit durchschnittlich 76,7 Jahren. Frauen werden im Saarpfalz-Kreis 82,4 Jahre und damit älter als irgendwo sonst. Die Lebenswartung im Kreis Neunkirchen beträgt dagegen nur 81,4 Jahre.

Chronische Krankheiten



Die Lebenserwartung steht - wie man schon länger weiß - in einer Beziehung zum Einkommen. Unterteilt man das Einkommen in seiner Spannbreite in fünf Gruppen von arm bis reich, dann liegt der Unterschied zwischen der niedrigsten und der höchsten Einkommensgruppe bei Männern bei 10,8 Jahren. Bei Frauen unterscheidet sich die Lebenserwartung immerhin noch um 8,4 Jahre. Das zeigen Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI). Das RKI hält auch einen Zusammenhang von Krankheit und sozialem Status für erwiesen: Bei schweren Erkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder Diabetes sind arme Menschen deutlich häufiger betroffen.

Es sind also nicht die Wetterverhältnisse in einer Region, es sind nicht die Sonnentage. In einer Antwort auf eine Anfrage der Abgeordneten Zimmermanns räumt die Bundesregierung ein, "dass günstigere sozioökonomische Bedingungen in der Wohnregion mit einer höheren Lebenserwartung einhergehen". Ursache seien Unterschiede bei Bildung, aber auch beim Rauchen, der Ernährung und der Bewegung - sowie bei den Arbeits- und weiteren Lebensbedingungen.

Zimmermann schlussfolgert: "Wer wenig verdient, muss häufiger schwere und gesundheitlich belastende Arbeit leisten, muss unter Lärm und Luftverschmutzung leiden, kann sich nicht so gut ernähren und stirbt früher als Besserverdiener." Arme litten häufiger an chronischen und psychischen Krankheiten. Die stellvertretende Linke-Fraktionschefin sagt: "Die Weichen dazu werden schon im frühen Alter gestellt."

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