"Regierungschef wider Willen" in Brüssel

Brüssel. Herman Van Rompuy (Foto: afp) hätte sich wohl bis zum Ruhestand in einer Rolle in der zweiten Reihe gefallen. Bis zum Wochenende weigerte er sich standhaft, Belgiens neuer Regierungschef zu werden. Doch die eigene Partei und König Albert II. ließen ihm wohl keine Wahl

Brüssel. Herman Van Rompuy (Foto: afp) hätte sich wohl bis zum Ruhestand in einer Rolle in der zweiten Reihe gefallen. Bis zum Wochenende weigerte er sich standhaft, Belgiens neuer Regierungschef zu werden. Doch die eigene Partei und König Albert II. ließen ihm wohl keine Wahl. In dem verfahrenen Konflikt zwischen Flamen und Wallonen, der das Land an den Rand einer Spaltung brachte, soll der flämische Christdemokrat nun den Ausgleich suchen. "Ich habe schon 1994 vor dieser Frage gestanden", sagte der 61-jährige Van Rompuy vor ein paar Tagen, als er nach den Ambitionen für das Amt des Regierungschefs befragt wurde. "Ich habe es damals auch nicht gewollt. Die Politik ist nicht das ganze Leben." Einige in Belgien sehen in dem überzeugten Katholiken einen Strippenzieher, der lieber hinter den Kulissen agiert. Die Presse sprach gestern von einem "Regierungschef wider Willen", der voraussichtlich an der Spitze der bisherigen Fünf-Parteien-Koaltion stehen wird. Sein Sinn für das Gemeinwohl und das Pflichtbewusstsein gegenüber seiner Partei CVD hätten Van Rompuy dazu gebracht, den Posten anzunehmen, schrieb die Zeitung "Le Soir". Dass Van Rompuy genügend Regierungserfahrung hat, bestreitet niemand. Er war von 1993 bis 1999 Haushaltsminister unter dem christdemokratischen Flamen Jean-Luc Dehaene, dessen Regierung Belgien durch einen harten Sparkurs fit für die Mitgliedschaft in der Eurozone machte. König Albert II. hofft offenbar, dass es Van Rompuy gelingen wird, vor den Regionalwahlen im Juni den Dauerkonflikt zwischen den Sprachengruppen zu entschärfen. Der Monarch hatte Van Rompuy schon 2007 beauftragt, nach einem Ausgleich der chronischen Spannungen der beiden Bevölkerungsteile zu suchen. Dabei steht der Flame Van Rompuy durchaus nicht über dem Geschehen, sondern bezieht klar für seine Seite Position. Er ist aber zu Kompromissen bereit und gilt unter der Niederländisch sprechenden Bevölkerung als "frankophil" - ganz anders als der bisherige Amtsinhaber Yves Leterme, der mit Seitenhieben auf die Wallonen den Konflikt immer wieder angeheizt hat. Außer im Streit der Sprachengruppen und den Beratungen über den Haushalt 2009 braucht Van Rompuy auch Fingerspitzengefühl, um die Affäre um die angeschlagene Fortis-Bank zu bereinigen. Ihre Übernahme durch das französische Großinstitut BNP Paribas ist wegen eines juristischen Tauziehens noch immer nicht abgeschlossen. Vorgänger Leterme war über eine Affäre gestürzt, in der seiner Regierung vorgeworfen wurde, in dem Fall Druck auf die Justiz ausgeübt zu haben. dpa

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