"Personen mit Strahlkraft können gewinnen"

Saarbrücken/Berlin · Torsten Albig (SPD) machte im letzten Sommer Schlagzeilen, als er sinngemäß fand, seine Partei brauche gegen Merkel gar nicht erst mit einem Kanzlerkandidaten anzutreten. Was empfiehlt er nun? Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit dem 52 Jahre alten schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten.

Die SPD feiert Malu Dreyers Wahlsieg in Rheinland-Pfalz. Verdrängt sie zu sehr die Katastrophen in den anderen beiden Ländern?
Albig: Nein. Es lohnt sich schon, genau hinzuschauen, was in jedem Land die Erfolgs- oder auch Misserfolgsfaktoren waren. Malu Dreyer lag zehn Punkte zurück, als ich im Oktober das erste Mal im Wahlkampf dort war. Jetzt liegt sie deutlich vorne. Auch in Stuttgart ging doch jeder von einem Sieg der CDU aus. Es zeigt sich, dass Persönlichkeiten mit Strahlkraft, die hohe Sympathiewerte genießen und geschlossene Parteien hinter sich haben, eine große, wenn nicht sogar entscheidende Rolle im Wahlkampf spielen.

Da liegt die Frage nach Sigmar Gabriel nahe. Er kann weder auf hohe Sympathiewerte setzten, noch auf die Geschlossenheit der SPD.
Albig: Die Situation im Bund ist für die SPD eine andere ist als in Rheinland-Pfalz. Dort hat die amtierende Ministerpräsidentin enorme Zugkraft entwickelt. Die Aufgabe im Bund ist also, eine Strategie gegen die Zugkraft von Angela Merkel zu erarbeiten. Sie hat als Kanzlerin klar einen Bonus. Wenn eine Partei aus der Regierung heraus gegen eine so starke Persönlichkeit antritt, muss sie geschlossen auf ihre inhaltlichen Stärken setzen und sollte nicht erst versuchen, einen Personenwahlkampf zu doppeln. Sie muss klar machen, dass sie entscheidender Teil der Regierung ist. Das gelingt Sigmar Gabriel ausgezeichnet.

Wenn man an den letzten SPD-Parteitag denkt und die Wahlklatsche dort für Sigmar Gabriel, dann vermittelt die SPD genau diese Geschlossenheit nicht.
Albig: Deswegen gibt es auch viele, mich eingeschlossen, die sich darüber nicht gefreut haben. Wir müssen jetzt diese Geschlossenheit erzeugen. Aus Rheinland-Pfalz kann man lernen, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Die Dinge sind änderbar. Wenn man geschlossen und unverzagt miteinander kämpft.

Wo die SPD-Juniorpartner ist, droht ihr regelrecht die Marginalisierung.
Albig: Die Logik, dann lieber in die Opposition zu gehen, da regenerieren wir uns wieder, die hilft leider auch nicht, wie man an der CDU in Baden-Württemberg sieht. Sie ist noch schwächer geworden. Nein, man muss dann eben umso stärker auffallen und die eigenen Leistungen in der Regierung betonen. So wie Gabriel das macht. 70 Prozent der Leistungen der Großen Koalition sind sozial- und nicht christdemokratisch. Das ist insbesondere auf die erfolgreiche Arbeit des Vizekanzlers Gabriel zurückzuführen.

Und wie soll die SPD bis zur Bundestagswahl auffallen?
Albig: Vor allem als die Gerechtigkeitspartei. Seit 150 Jahren sind wir als Sozialdemokratie der Anwalt dafür, dass es in Deutschland gerecht zugeht. Dafür, dass jeder teilhaben kann. Dafür, dass jeder die gleiche Chance hat. Egal, wo er herkommt.

Dann müssten sie die Vermögenssteuer wieder auf die Tagesordnung setzen, die Gabriel gerade nicht mehr thematisieren will.
Albig: Wir regieren seit 1998 mit, und auch unter unserer Mitverantwortung ist die Vermögensverteilung sicher nicht in allen Bereichen gerechter geworden. Aber beim Thema Gerechtigkeit geht es um viel mehr als um Steuergerechtigkeit. Es geht um Teilhabe, um Jobs, um Wohnungen, um die Unterstützung normaler Familien. Es geht darum, ob es über alles gesehen, eigentlich gerecht zugeht in diesem Land.

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