Zapfenstreich für die Bundeskanzlerin Merkels Abschied: Rote Rosen und ein paar Tränen? „Für mich soll’s rote Rosen regnen“

Berlin · Für Angela Merkel war der Donnerstag ein ganz normaler Arbeitstag: Bund-Länder-Gespräche. Doch am Abend war es dann doch ein wenig anders. Das Land nimmt nach 16 Jahren Abschied von der Bundeskanzlerin. Warum das Zeremoniell dann selbst Merkel um ihre Fassung brachte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lacht nach ihrer Verabschiedung durch die Bundeswehr mit einer Rose in der Hand. Foto: Michael Kappeler/dpa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lacht nach ihrer Verabschiedung durch die Bundeswehr mit einer Rose in der Hand. Foto: Michael Kappeler/dpa.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Schimmern da ein paar Tränen? Man ist sich als Beobachter zu Beginn des Großen Zapfenstreiches noch nicht ganz sicher. Aber spätestens beim Lied „Für mich soll’s rote Rosen regnen“, schimmert es verdächtig in den Augenwinkeln von Angela Merkel. Ihre Hände in den schwarzen Lederhandschuhen verschränken sich einmal in die eine, mal in die andere Richtung. Die geschäftsführende Kanzlerin ist bewegt - und das ist gar nicht so häufig vorgekommen in ihrer Amtszeit.

Die Bundeswehr verneigt sich und verabschiedet die CDU-Politikerin mit dem Großen Zapfenstreich. Die Physikerin, die sechzehn Jahre lang an der Spitze des Landes stand.  Mit ernster Miene verfolgt sie das Zeremoniell, wirkt gefasst, dennoch sehr bewegt. Es ist das Ende einer Ära.

Merkel,  im dunklen Mantel, kommt  um kurz nach neunzehn Uhr am Donnerstagabend mit Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer auf den Platz vor dem Bendlerblock, dem Verteidigungsministerium im Herzen der Hauptstadt.  Es ist eine Bürgerin, die da geht - auch ihren letzten großen öffentlichen Auftritt absolviert sie so unprätentiös wie so häufig in den vergangen Jahren.

Eine Bürgerin, die stolz ist auf ihr Land. Das bringt sie in ihrer letzten Rede klar zum Ausdruck: Sie empfinde „Dankbarkeit und Demut“ sagt die 67-jährige Politikerin zu Beginn. Dann kommt sie sofort auf die grassierende Corona-Pandemie zu sprechen. Sie bedankt sich beim medizinischen Personal und den Pflegerinnen und Pflegern. Die Demokratie lebe auch von Solidarität und Vertrauen, betont Merkel. Und findet mahnende Worte zum Umgang mit der Wissenschaft. Wo wissenschaftliche Erkenntnis geleugnet sowie Verschwörungstheorien und Hetze verbreitet würden, müsse Widerspruch laut werden. Wo Hass und Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung eigener Interessen erachtet würden, finde die Toleranz der Demokratinnen und Demokraten ihre Grenze. Es ist ein Bekenntnis gegen Hass und Hetze. Merkels Vermächtnis.

Sie wünscht ihrem designierten Nachfolger Olaf Scholz (SPD) und der künftigen Regierung alles Gute, eine glückliche Hand und viel Erfolg. Sie sei überzeugt, dass die Zukunft sich gut gestalten lasse, „wenn wir uns nicht mit Missmut, mit Missgunst, mit Pessimismus“, sondern „mit Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit machen“. Merkel betont, so habe sie es immer gehalten: in der DDR und erst recht und umso mehr unter den Bedingungen der Freiheit. „Es ist diese Fröhlichkeit im Herzen, die ich uns allen und im übertragenen Sinne unserem Land auch für die Zukunft wünsche.“

Ihr wahrscheinlicher Nachfolger Scholz sitzt mit Maske unter den Ehrengästen. Auch er wirkt bewegt. Coronabedingt können an der Zeremonie daran wesentlich weniger Gäste teilnehmen als üblich, alle waren 2Gplus getestet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender sind die Ehrengäste.

Merkel verfolgt den Großen Zapfenstreich im Sitzen. Ein wenig merkwürdig mutete das Ritual an - auch geneigten Beobachtern. Und doch ist es die höchste Würdigung, die deutsche Streitkräfte einer Zivilperson zuteilwerden lassen können. Neben Bundeskanzlerinnen und Bundeskanzlern werden etwa auch Bundespräsidenten und Verteidigungsminister bei ihrer Verabschiedung mit dem Brauch geehrt. Immer abends findet das Zeremoniell statt, es besteht aus einem Aufmarsch, mehreren Musikstücken - darunter die Nationalhymne - und dem Ausmarsch.

Ein wenig Augenzwinkern brachte Merkels Musikauswahl in das Zeremoniell. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ von Hildegard Knef hatte sich Merkel gewünscht und das ökumenische Kirchenlied „Großer Gott, wir loben Dich“. Sie ist in einem Pfarrhaushalt aufgewachsen - ihr 2011 gestorbener Vater Horst Kasner war evangelischer Theologe. Merkels Mutter Herlind, die noch dabei war, als ihre Tochter am 14. März 2018 zum vierten Mal als Kanzlerin vereidigt wurde, starb im April 2019.

Größte Überraschung der drei Lieder aus Merkels Auswahl  war die subversive Jugendhymne einer starken Frau: „Du hast den Farbfilm vergessen“ von Punk-Sängerin Nina Hagen. Das Lied sei ein „Highlight meiner Jugend“ gewesen, sagte die Kanzlerin zuvor zur Begründung. Diese Jugend habe „bekanntermaßen in der DDR stattgefunden“. Zufälligerweise spiele der Song „auch noch in einer Region, die mein früherer Wahlkreis war". „Insofern passt alles zusammen.“

Für Merkel war dieser Donnerstag zunächst ein ganz normaler Arbeitstag in den Zeiten der Pandemie. Am Donnerstagmittag kam die geschäftsführende Kanzlerin per Videoschalte mit den Ministerpräsidenten zusammen und absolvierte ihre wahrscheinlich letzte Pressekonferenz. Kommende Woche soll ihr SPD-Nachfolger Olaf Scholz im Bundestag vereidigt werden.

Am Ende  des langen Tages nimmt sie sie eine Rose aus einem großen Blumenstrauße, eine andere vergibt sie an die Verteidigungsministerin. Dann steigt sie lachend in ihren Wagen, ihr Mann Joachim Sauer steigt mit ein. Merkel winkt aus dem Fenster,  fährt ab. Noch ist ihr Ziel das Kanzleramt.

Wie sagte  es CSU-Chef Markus Söder. „Wir werden sie, glaube ich, sehr vermissen.“ Und wenn das schon ein bayerischer Ministerpräsident sagt.

(mün)
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