Gemeinsame Schule in gespaltenem Land

Tel Aviv · Ihre Kinder sollen auf Hebräisch und Arabisch lernen, fordern Eltern in Tel Aviv. Doch bisher gibt es in der israelischen Metropole keine zweisprachige Einrichtung. Probleme machen nicht nur die Behörden, sondern auch die Feiertage.

Tel Aviv gilt im gespaltenen Israel als besonders tolerante Insel. Doch während im Rest des Landes bereits an vier Schulen auf Hebräisch und Arabisch unterrichtet wird, gibt es in der Küstenmetropole keine einzige bilinguale Einrichtung. Jüdische, muslimische und christliche Eltern kämpfen deshalb im überwiegend arabischen Vorort Jaffa für eine gemeinsame öffentliche Schule und gegen die von der Stadtbehörde aufgebauten Hürden.

"Wie kann es sein, dass es in Haifa und in Jerusalem eine zweisprachige Schule gibt, aber nicht hier?", fragt die in Tel Aviv lebende Palästinenserin Ruba Blal-Asfour. Wo sonst könne die Idee besser gedeihen als im kulturell gemischten Jaffa? Die Mutter eines Siebenjährigen und von Drillingen (3) ist Schauspielerin, ihr Film "Sandsturm" lief auf der Berlinale. Die Mehrheit der 8,5 Millionen Menschen in Israel ist jüdisch. 20 Prozent sind Araber, der größte Teil davon Muslime. Viele Angehörige der arabischen Minderheit möchten lieber als Palästinenser mit israelischer Staatsangehörigkeit bezeichnet werden.

1998 errichtete die Organisation "Hand in Hand" eine erste zweisprachige Schule in Jerusalem. Seither sind drei weitere im Norden Israels entstanden. Der Unterricht auf Hebräisch und Arabisch birgt einige Herausforderungen: Jede Klasse wird von zwei Lehrern unterrichtet, die die Sprachen abwechselnd sprechen. Klausuren müssen zweisprachig erstellt werden, damit die Kinder auswählen können. Die größten Probleme macht jedoch der Lehrplan. Der muss jüdische, muslimische und christliche Feiertage berücksichtigen.

Das ist auch in Jaffa ein Problem. 2013 hatten die Eltern einen gemeinsamen Kindergarten aufgebaut. Anfangs gab es dort 38 Kleinkinder, ein Jahr später waren es schon 80. Als die Kinder ins Grundschulalter kamen, stimmte die Stadtbehörde zwei gemischten ersten Klassen zu, die auf dem Gelände einer hebräischen Schule unterrichtet werden sollten. Schon bald traten erste Probleme bei der Umsetzung des Projekts zutage: Für den Schuldirektor war es schwierig, alle muslimischen und christlichen Feiertage zu berücksichtigen.

Dabei sei ein gemeinsamer Kalender, der die Festtage aller drei Religionen berücksichtigt, ein wichtiger Bestandteil einer multikulturellen Schule, sagt der jüdische Vater Asaf. "Ich möchte, dass meine Kinder über das jüdische Passah-Fest lernen. Ich möchte aber auch, dass sie wissen, was ihre Klassenkameraden feiern", sagt der 34-Jährige, dessen Tochter (4) einen bilingualen Kindergarten besucht. Sie korrigiert seinen Akzent, wenn er Arabisch spricht und bringt ihm die Namen von Obst in der anderen Sprache bei.

Nahe des gemischten Kindergartens steht ein leeres Schulgebäude. Doch die Behörden haben dort die Einrichtung einer mehrsprachigen Schule untersagt. Grundsätzlich werde die Idee des arabisch-hebräischen Unterrichts aber unterstützt, heißt es.

Manchmal fühle sie sich, als würde sie ihren Sohn für eine Art Experiment hergeben, erklärt Blal-Asfour. Auch deshalb sei sie schon mal kurz davor gewesen, aufzugeben und ihn an einer regulären Schule anzumelden. "Wir wollen nicht, dass es so weitergeht", sagt sie angesichts der Gewaltwelle, die seit vergangenen Oktober über das Land schwappt. Sie fordert die Behörden auf, sich mehr für die zweisprachige Schule einzusetzen. Sie sollten die Idee in Jaffa gedeihen lassen, sagt die Schauspielerin. Und nicht schon im Keim ersticken.

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