Kretschmanns nächster historischer Erfolg

Stuttgart · Langsam, bedächtig und knorrig: Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann fällt als Politiker aus dem Rahmen. Bei der Landtagswahl führt er die Grünen zu ungeahnten Höhenflügen.

 Geschafft: Winfried Kretschmann triumphiert mit den Grünen in Baden-Württemberg. Foto: Maurer/dpa

Geschafft: Winfried Kretschmann triumphiert mit den Grünen in Baden-Württemberg. Foto: Maurer/dpa

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Mehr als 30 Prozent - ein für die Grünen überwältigendes Ergebnis. Noch nie konnte die Öko-Partei so viele Wähler an sich binden wie bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg. Sie hat die CDU als stärkste Partei abgelöst. Doch das ist weniger ein Erfolg der Grünen, es ist der Strahlkraft ihres Aushängeschildes Winfried Kretschmann geschuldet. "Grün wählen für Kretschmann", stand auf den Plakaten, garniert war der Satz mit einigen Varianten: "Regieren ist eine Stilfrage", "Verantwortung und Augenmaß", "Dem Land verpflichtet", "Leidenschaft für die Sache". Immer allein im Bild: Kretschmann.

Schon zu Beginn der Legislaturperiode hatte Ex-Regierungschef Günther Oettinger seine Partei beschworen: "Kretschmann ist Kult! Lasst ihn in Ruhe!" Und der EU-Kommissar behielt Recht. Kretschmann regierte den Südwesten fünf Jahre in präsidialer Art. Selbst ein Großteil der CDU-Anhänger sprach sich vor der Wahl dafür aus, dass der Grüne im Amt bleiben sollte.

Kretschmann taugte noch nie zum Bürgerschreck. Keine Latzhose, keine Jesuslatschen. Fast immer tritt der frühere Lehrer für Biologie, Chemie und Ethik im Anzug mit weißem Hemd und, wie sollte es anders sein, grüner Krawatte auf. Auch in anderen Dingen erwies sich der 67-Jährige mit dem markanten Bürstenhaarschnitt als strukturkonservativ und treu gegenüber den eigenen Überzeugungen.

Gegen Widerstände in der eigenen Partei stimmte er im Bundesrat mit Union und SPD dafür, Länder aus dem früheren Jugoslawien zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Und wenn Kretschmann erklärte, er bete für Angela Merkel, weil nur sie die EU zusammenhalten könne, ist das eine dieser Aussagen, die weder Gegner noch Parteifreunde zu kritisieren wagen. Kretschmann glaubt man das. Er gilt als besonnen und nachdenklich, ist kein Mann großer Gesten und Reden. Der Mitbegründer der baden-württembergischen Grünen ist auch in der katholischen Kirche engagiert. Aufgewachsen ist der verheiratete Vater dreier erwachsener Kinder in Spaichingen im Landkreis Tuttlingen auf, "in einem liberalen, katholischen Elternhaus, in dem frei gedacht und gestritten und zugleich der ganze Reichtum des Kirchenjahres gelebt wurde", wie er über sich sagt.

In den Jahren um 1968 engagierte sich der Student in linksradikalen kommunistischen Gruppen. Eine Phase, die er schnell als "politischen Irrtum" ansah und die ihn nach eigener Einschätzung bis heute "gegen Fundamentalismen aller Art immun macht". 1980 zog Kretschmann in Stuttgart mit fünf anderen Abgeordneten erstmals für die Grünen in den Landtag eines Flächenstaates ein. 1986 holte ihn der spätere Außenminister Joschka Fischer ins erste grüne Umweltministerium nach Hessen. Nach dem Bruch der dortigen Koalition arbeitete Kretschmann als Lehrer, bevor er in den Stuttgarter Landtag zurückkehrte und 2002 Fraktionschef wurde.

Seitdem will der Mann die eigene Querköpfigkeit begrenzen und "integrieren, zusammenführen und zu allem was Kluges sagen". Fünf Jahre ist ihm das gut gelungen; jetzt sieht alles nach einer weiteren Amtszeit aus.

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