Die Kanzlerin kämpft um Cameron

Berlin/Brüssel · Die Briten geben nicht klein bei. Sie wollen Luxemburgs Ex-Regierungschef Juncker nicht als Kommissionspräsidenten der EU. Kanzlerin Merkel versucht vorsichtig zu vermitteln.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versucht im Streit um den neuen Kommissionspräsidenten einen Spagat zwischen ihrer Unterstützung für Jean-Claude Juncker und guten Beziehungen zum britischen Premier David Cameron. In ihrer Regierungserklärung sprach sie sich gestern im Bundestag zwar erneut für den konservativen Spitzenkandidaten als künftigen Kommissionschef aus. Zugleich warnte sie davor, den britischen Widerstand gegen Juncker zu ignorieren. Um die Nominierung des Luxemburgers für die Spitze der EU-Kommission wird seit der Europawahl vor anderthalb Wochen erbittert gerungen. Er war der Spitzenkandidat der konservativen Europäischen Volkspartei, die wieder die größte Fraktion im EU-Parlament wurde. Der künftige Kommissionschef muss von den Staats- und Regierungschefs mit qualifizierter Mehrheit vorgeschlagen und dann vom EU-Parlament bestätigt werden. Besonders der britische Regierungschef David Cameron lehnt Juncker ab und soll für den Fall seiner Ernennung mit dem EU-Austritt seines Landes gedroht haben.

Sie teile die Vorbehalte Camerons gegen Juncker nicht, stellte Merkel klar, aber "ich halte es für grob fahrlässig, ja eigentlich für inakzeptabel, mit welcher Lockerheit manche darüber sprechen, dass es doch eigentlich gleichgültig sei, ob Großbritannien nun zustimme oder nicht, mehr noch, ob Großbritannien Mitglied der Europäischen Union bleibe oder nicht". Dies sei "alles andere als gleichgültig". Theoretisch könnte der EU-Rat Juncker auch gegen britischen Widerstand küren. Merkel schloss dies vor dem Bundestag auch nicht aus. Sie führe "natürlich viele Gespräche" mit ihren Kollegen, wobei sie sich für die Wahl Junckers "mit der notwendigen qualifizierten Mehrheit einsetze".

Widerstand gegen Juncker kam bei einem EU-Gipfel in der vergangenen Woche auch aus Schweden, den Niederlanden, Finnland und Ungarn. Merkel reist am Montag zu zweitägigen Beratungen ins schwedische Harpsund, um sich mit ihren Kollegen aus Schweden, Großbritannien und den Niederlanden zu beraten.

EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy zufolge könnte der Personalstreit auch am Rande des G-7-Gipfels in Brüssel zur Sprache kommen. Zwar stehe das Thema nicht auf der Tagesordnung, aber "es ist nicht ausgeschlossen, dass wir die anstehenden Nominierungen besprechen", sagte der mit Sondierungsgesprächen beauftragte Belgier. Außer Merkel und Cameron nehmen an dem zweitägigen Treffen der sieben größten Industrienationen aus der EU auch Frankreichs Staatschef François Hollande und Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi sowie der scheidende Kommissionschef José Manuel Barroso teil. Junckers bei den Europawahlen unterlegener Konkurrent, Martin Schulz (SPD), stützte forderte indes eine rasche Entscheidung für den Luxemburger. "Der Wahlkampf ist beendet", sagte er dem "Spiegel". Juncker selbst gab sich gestern auf Twitter selbstbewusst: "Ich bin zuversichtlicher als jemals zuvor, dass ich der nächste Präsident der Europäischen Kommission sein werde."

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