"Armutsbekämpfung ist die günstigste Sicherheitspolitik"

Saarbrücken. Eines nimmt man Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ab: Das Amt ist ihr längst nicht nur Pflicht

 Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Foto: Iris Maurer

Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Eines nimmt man Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ab: Das Amt ist ihr längst nicht nur Pflicht. In den nunmehr zehn Jahren, in denen sie es bekleidet, ist es Teil ihrer Identität geworden - ihres Selbstverständnisses als "Sozialdemokratin, als Christin, aber auch als Person, die ein aufgeklärtes Eigeninteresse der Deutschen vertritt", wie sie im Redaktionsgespräch der Saarbrücker Zeitung betont. Mit ihrem christlichen Glauben könne sie es nicht vereinbaren, dabei zuzusehen, dass auf der Welt jeden Tag 25000 Kinder sterben. "Fünfundzwanzigtausend!", wiederholt die Politikerin, um der erschütternden Zahl Nachdruck zu verleihen.

Armut weltweit zu bekämpfen, den internationalen Klimaschutz mit voranzutreiben, das ist für Wieczorek-Zeul "die kostengünstigste Sicherheitspolitik für uns selbst" - ausgehend von der Erfahrung, dass Hunger und Armut auf der Welt immer wieder zu Verteilungskonflikten führen. In diesem Zusammenhang prangert sie die in ihren Augen falsche weltpolitische Gewichtung an: "Wir brauchen eine friedenspolitische Trendwende, denn heute wird weltweit mehr für Rüstung ausgegeben als zu den heißesten Zeiten des Kalten Krieges."

Bereits 20 Dollar (12,80 Euro) pro Kopf der Bevölkerung weltweit würden ausreichen, um die so genannten Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, rechnet die Ministerin vor. Ziele, die sich hochrangige Vertreter von 189 Ländern im September 2000 bei den Vereinten Nationen für die internationale Politik des 21. Jahrhundert gesteckt hatten: darunter den Anteil der Weltbevölkerung, der unter extremer Armut und Hunger leidet, zu halbieren und für eine entscheidende Verbesserung von Ausbildung, Gesundheit und Umweltschutz weltweit zu sorgen. Gegenwärtig aber würden 200 Dollar pro Kopf allein für Rüstung ausgegeben.

Dass es zwischenzeitlich auch Differenzen mit Umweltminister Sigmar Gabriel (ebenfalls SPD) wegen der Förderung von Biosprit gegeben haben dürfte, möchte Wieczorek-Zeul ungern zugeben. Stattdessen weist sie auf ein gemeinsames Papier hin, in dem sich beide Minister darauf geeinigt haben, die Beimischungsquote von Biosprit im Benzin nicht zu erhöhen. Denn für die global explodierenden Nahrungsmittelpreise und die zusätzliche Armut ist gerade die wachsende Nachfrage nach Biosprit verantwortlich. Aus diesem Grund spricht Wieczorek-Zeul denn auch lieber von "Agrarkraftstoff" - der Begriff "Bio" ist ihr zu positiv besetzt.

Wachsender Hunger und Armut - das ist freilich ein Rückschlag für die internationale Gemeinschaft bei der Durchsetzung der Millenniumsziele. Wie aber sieht es mit den Fortschritten aus? Wieczorek-Zeul nennt allmählich prosperierende Staaten wie Ghana, Botswana und Tansania. "Dort, wo die Bevölkerung ihre Geschicke in die Hand nehmen kann, wo sich Frauen gleichberechtigt wirtschaftlich einbringen können, steigen die Wachstumsraten in ersichtlichem Ausmaß", versichert die SPD-Politikerin und bezieht sich dabei auf eine Studie der Weltbank. Fortschritte sieht sie auch in der Entwicklungszusammenarbeit selbst: Effizienz und Effektivität hätten zugenommen, seit die internationale Gemeinschaft bei der Entwicklungspolitik an einem Strang ziehe und seit es gelungen sei, Weltbank und IWF für die gemeinsamen Ziele ins Boot zu ziehen.

Um die Zukunft ihrer Partei ist der SPD-Ministerin trotz schlechter Umfragewerte nicht bange: "Die SPD ist bei den wichtigen Fragen unter Berücksichtigung der globalen Entwicklung ganz auf der Höhe der Zeit."

Hintergrund

Heidemarie Wieczorek-Zeul (65), Haupt- und Realschul-Lehrerin, trat 1965 in die SPD ein. Von 1974 bis 1977 war sie Bundesvorsitzende der Jusos. Sie gehört der Parlamentarischen Linken der SPD-Bundestagsfraktion an. 1998 wird sie als Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in die Schröder-Regierung berufen. Dieses Amt behält sie auch unter Kanzlerin Merkel. ine

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