Prostituierte als Geschäftsfrauen

Amsterdam · Amsterdam hat massive Probleme mit Zwangsprostitution und Menschenhandel. Deshalb geht die Stadt neue Wege. Sie will ein Bordell eröffnen, das von den Prostituierten in Eigenregie betrieben wird. Dafür hat die Verwaltung selbst Gebäude gekauft.

Was hat der Bürgermeister nicht alles versucht: Die typischen roten Fenster, hinter denen Prostituierte ihre Dienste anbieten, wurden teilweise geschlossen. Er hat Teams aus Polizei-Ermittlern, Staatsanwälten und Mitarbeitern des Ordnungsamts zusammengestellt, die die Hotelbetreiber in Amsterdams Rotlichtviertel kontrollieren. Trotzdem sind die Probleme mit Menschenhandel und Zwangsprostitution nicht verschwunden. Nun will die Stadtverwaltung unter Bürgermeister Eberhard van der Laan einen wohl einzigartigen Versuch wagen: In wenigen Monaten könnte in Amsterdam ein Bordell eröffnen, das von Prostituierten selbst betrieben wird - ohne Zuhälter, Zwang und Ausbeutung.

Anfang Februar entschied der Stadtrat, die konkrete Umsetzung des Projektes zu untersuchen: Welche Rechtsform kommt infrage? Wie muss das Geschäftsmodell aussehen? Welche Risiken bestehen? Wenn alles rund läuft, könnten die Häuser im Juli öffnen.

"Schon seit mehreren Jahren gibt es unter den Sex-Arbeiterinnen den Wunsch, einen eigenen Betrieb zu beginnen", sagt Jasper Karman, Sprecher von Bürgermeister van der Laan. In diesen Gesprächen sei deutlich geworden, dass viele Prostituierte gerne mehr mitbestimmen wollen, etwa über die Höhe der Zimmermieten. Bisher hätten aber geeignete Räumlichkeiten gefehlt, erklärt Karman. Inzwischen hat die Gemeinde fünf Gebäude aufgekauft, in denen bis zu 50 Prostituiere arbeiten könnten. Zurzeit sucht die Verwaltung einen Käufer der Objekte, der an die Prostituierten vermieten könnte. Sollte sich niemand finden, träte die Stadt selbst als Vermieter auf.

In den Niederlanden ist Prostitution seit 2000 erlaubt. Durch die Legalisierung sollte die Branche transparenter werden, so dass Missstände einfacher verfolgt werden konnten. Schätzungen zufolge arbeiten landesweit etwa 20 000 Prostituierte , davon 8000 in Amsterdam . Experten schätzen, dass davon die Hälfte Opfer von Menschenhandel oder Zwangsprostitution sein könnten.

Zurzeit arbeiten Parlament und Behörden an einer Verschärfung der Regeln, etwa an einem Register von Unternehmern, die bereits wegen Gesetzesverstößen aufgefallen sind. In den Niederlanden brauchen Nachtclubs und Bordelle eine Genehmigung der Kommune. Eine ähnliche Regelung soll auch in Deutschland kommen. Die Bundesregierung beschloss Anfang Februar, das Prostitutionsgesetz zu ändern. Dann brauchen Bordellbetreiber eine Betriebserlaubnis; Prostituiere sollen sich regelmäßig bei Behörden oder anerkannten Beratungsstellen anmelden.

In den Niederlanden habe die Erlaubnispflicht allerdings zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen geführt, kritisieren Experten. Weil kaum noch neue Genehmigungen vergeben werden, seien Prostituierte auf Unternehmen mit Genehmigung angewiesen, erklärt Marjan Wijers, Expertin und Aktivistin für Frauenrechte. Dadurch seien die Zimmermieten in den Bordells explodiert. "Man muss kein Hellseher sein, um zu sehen, dass das auch zu Machtmissbrauch und Willkür führte", sagt Wijers. In einem Bordell, das von Prostituierten geführt wird, könnten sie selbst die Zimmermieten festlegen. "Es geht darum, selbst die Macht über ihren Arbeitsplatz zu bekommen, ohne von einem Unternehmer abhängig zu sein."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort