Auotkorsos Flugblätter gegen ausufernde Hochzeiten

Düsseldorf · Mit Ende des Ramadans fürchtet die Polizei in Nordrhein-Westfalen wieder eskalierende Autokorsos.

 Eine Polizistin reicht einer Verkäuferin in einem türkischen Brautmodengeschäft in Duisburg einen Informations-Flyer für Hochzeitsgesellschaften. Darin warnen die Beamten Feiernde vor Verstößen.

Eine Polizistin reicht einer Verkäuferin in einem türkischen Brautmodengeschäft in Duisburg einen Informations-Flyer für Hochzeitsgesellschaften. Darin warnen die Beamten Feiernde vor Verstößen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Die Polizisten glaubten erst an einen Unfall, als vor ihrem Streifenwagen mehrere Luxusautos mit Warnblinkanlage den Verkehr auf der A3 bei Ratingen (NRW) ausbremsten. Die Beamten fuhren näher ran – und trauten ihren Augen kaum: Vor der Autoblockade brannte ein Ford Mustang-Cabrio mit quietschenden Reifen eine kreisrunde Bremsspur in die Fahrbahn. Im geöffneten Verdeck stand der Beifahrer und machte Fotos und Videos.

Heute, rund zweieinhalb Monate nach der A3-Blockade, nennen Ermittler die Aktion die „Mutter aller Hochzeits-Korsos“. Denn danach gab es für die Feiernden anscheinend kein Halten mehr: Jedes Wochenende rückte die Polizei zu Dutzenden Einsätzen aus. Anrufer meldeten weitere Straßenblockaden, außerdem 36 Mal Schüsse, immer wieder Bengalos, lange Korsos und einmal auch 50 Autos, die in Köln hintereinander in zweiter Reihe parkten.

Innenminister Herbert Reul (CDU) ließ ein Lagebild erstellen. Die Düsseldorfer Polizei stürmte – samt Spezialeinsatzkommando – die Wohnungen der A3-Blockierer, um die Hochzeitsfotos von der Autobahn zu sichern.

Den Hintergrund des Phänomens hat das Innenministerium in seinem Lagebild recht nüchtern analysiert: „In Deutschland lebende türkische Staatsangehörige sowie Personen mit entsprechendem Migrationshintergrund haben seit Generationen die Bräuche und Sitten tradiert. Aus diesem Grund wird das Hochzeitsfest oftmals traditionell begangen. Zu den Bräuchen am Hochzeitstag zählt insbesondere die Abholzeremonie.“

Damit eine solche nicht weiter eskaliert, verteilt die NRW-Polizei seit dieser Woche auch noch Broschüren an Moscheen, in türkischen Brautmodeläden und Festsälen.  „Provozieren Sie keine Staus“, „Führen Sie keine Waffen mit“, heißt es unter anderem in dem Papier. Ansonsten drohe das „Durchsuchen von Hochzeitsgästen und Fahrzeugen“, sowie Bußgelder und sogar Freiheitsstrafen. Anlass für die Verteilaktion: Das Ende des Ramadan. Während des Fastenmonats gingen die Vorkommnisse laut Polizei fast auf Null zurück. Jetzt könnte es wieder los gehen.

Ausufernde Hochzeits-Fahrten gibt es nicht nur in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei in Bremen verteilt bereits seit 2018 Handzettel in deutscher und türkischer Sprache, um Hochzeitsgesellschaften vor der Eskalation zu warnen („Verderben Sie sich nicht den besonderen Tag“).

Tülay Koca hat einen Verdacht, warum auch die Polizei in Nordrhein-Westfalen plötzlich so häufig wegen Hochzeitsgesellschaften ausrücken muss: „Das liegt sicherlich an den Sozialen Medien. Diese Auto-Korsos werden ja alle gefilmt und verteilt. Und dann will jeder noch cooler sein als der andere“, sagt die 51-jährige Türkin, die in Essen den populären „Prenses Palace“ führt. In dem Festsaal für insgesamt 500 Personen werden jeden Freitag, Samstag und Sonntag Vermählungen gefeiert.

Seit 15 Jahren organisiert Koca Hochzeiten – eine Zuspitzung wie in den vergangenen Monaten kannte sie bisher nicht. Verständnis dafür hat Koca nicht: „Eigentlich soll es darum gehen, auszudrücken, dass man seine Freude mit dem Brautpaar teilt. Ein Stau oder Waffen haben damit nichts zu tun.“ So rückten nun ein „paar Bekloppte“ türkische Hochzeiten in ein schlechtes Bild.

Dass ein schwer bewaffnetes Spezialeinsatzkommando bei den Razzien gegen die Autobahn-Blockierer beteiligt war, macht auf viele Feiernde vielleicht mehr Eindruck als ein Flugblatt. Aber Reul geht noch weiter: So soll jetzt auch die Polizeifliegerstaffel eingesetzt werden, um Hochzeits-Korsos zu verfolgen.

(dpa)
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