Britisches Königshaus Ein zu kurzer Anruf – und so viele Gefühle

London · 20 Jahre nach dem Tod von Prinzessin Diana sprechen ihre Söhne William und Harry in einer Dokumentation offen über ihre Mutter.

 Prinz Harry (l) und Prinz William von Großbritannien sprechen ungewöhnlich emotional über ihre 1997 verstorbene Mutter.

Prinz Harry (l) und Prinz William von Großbritannien sprechen ungewöhnlich emotional über ihre 1997 verstorbene Mutter.

Foto: dpa/Yui Mok

Dieser eine kurze Anruf wird ihn sein ganzes Leben lang begleiten – oder vielmehr verfolgen. Das Bedauern, nicht mehr erzählt, nicht mehr gefragt zu haben und stattdessen das Gespräch ungeduldig abgekürzt zu haben, um schnell wieder mit den Cousins und seinem Bruder spielen zu können. Hätte Prinz Harry gewusst, dass diese wenigen Minuten die letzten sein würden, in denen er mit seiner Mutter sprechen sollte, der Anruf wäre anders verlaufen, wie der 32-Jährige jetzt in einem emotionalen Interview verrät. Nur Stunden später starb Prinzessin Diana bei einem tragischen Verkehrsunfall in Paris, während er und Prinz William den Sommer auf Schloss Balmoral in den schottischen Highlands genossen. Es war der 31. August 1997, die Prinzen waren zwölf und 15 Jahre alt. Und es mussten 20 Jahre vergehen, bis sie über ihre Gefühle, ihre Trauer und die schwierige Zeit nach dem Verlust sprechen würden. In der am Montagabend im britischen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentation „Unsere Mutter Diana – ihr Leben und ihr Vermächtnis“ erinnern sich die beiden Royals, mittlerweile 32 und 35 Jahre alt, ungewöhnlich offen  an Diana, die als Prinzessin von Wales eine Ikone für Menschen in der ganzen Welt war, für Harry und William jedoch vor allem „die beste Mutter der Welt“. Sie habe bei allem, was sie tat, einen „frischen Wind“ hereingebracht. Voller Wärme erzählen die Söhne, wie Diana sie mit Liebe umschlungen habe.

Schon zu Beginn deutet Harry auf die Besonderheit des 90-minütigen Films hin: „Zum ersten Mal reden wir zwei über sie als Mutter.“ Erst hat der Zuschauer den Eindruck, als beziehe sich der Prinz auf die Öffentlichkeit. Im Laufe der Dokumentation stellt sich einem jedoch die Frage, ob die beiden Brüder vielleicht sogar erstmals miteinander tiefergehend über den Tod ihrer Mutter sprechen. Der Verlust hat sie geprägt. Seit Monaten geben sie emotionale Interviews und überraschen damit das Königreich, in dem die traditionsbewussten Royals sonst stets gefasst, selbstbeherrscht und mit der berühmten „steifen Oberlippe“ sowie einer Scheu vor Gefühlsausbrüchen auftreten und kaum hinter die Fassade blicken lassen. Die junge Generation wählt einen anderen Ansatz und erinnert damit an Diana, die mit ihrer unkonventionellen Art häufig aneckte.

Die schreckliche Nachricht zu erhalten, habe sich angefühlt, als ob „ein Erdbeben das Haus erschüttert“, sagt William, während er mit seinem Bruder durch ein Familien-Album blättert, das sie erst kürzlich entdeckt haben. Mit einem Lächeln und voller Zuneigung reden sie über die Schnappschüsse, die von einer glücklichen Kindheit erzählen, die die Jungen auf Geheiß von Diana nicht nur innerhalb der dicken Palastmauern erlebten, sondern auch in der echten Welt, im Kino, bei Rugbyspielen, im Vergnügungspark. Aber stets schwingt Trauer mit. „Wir waren so in Eile, uns zu verabschieden“, sagt auch William über das letzte Gespräch. „Dieser Anruf hat sich stark bei mir eingeprägt.“ Doch er versuche, die Erinnerung wachzuhalten, indem er seinen Kindern, Prinz George und Prinzessin Charlotte, regelmäßig von ihrer Großmutter erzähle, von den Streichen, deren Opfer die Söhne wurden und von ihrem „unglaublichen Humor“. So sei er etwa einmal von der Schule nach Hause gekommen und da warteten Cindy Crawford, Christy Turlington und Naomi Campbell auf der Treppe auf ihn. Diana hatte heimlich den Besuch organisiert, weil ihr Sohn Poster von den Supermodels an der Wand seines Zimmer hängen hatte. „Ich lief knallrot an und wusste nicht, was ich sagen sollte“, so William, der „vor Ehrfurcht erstarrte“. Eine von vielen lustigen Momenten, die er für immer mit sich tragen würde. Harry sagt: „Sie war durch und durch ein totales Kind.“

Er verrät, dass er, während Millionen von Menschen nach ihrem plötzlichen Tod weinend vor dem Fernseher oder den Palasttoren litten, nur zwei Mal Tränen vergossen habe – einmal bei ihrer Beerdigung auf der Insel in Althorp „und seitdem wahrscheinlich ein weiteres Mal“. Deshalb herrsche noch „viel Trauer, die noch immer rausgelassen werden muss“. Der Film ist eine sehr persönliche Erinnerung an Diana als fürsorglicher und humorvoller Familienmensch. Aber die Dokumentation zeichnet auch ihren Weg nach als leidenschaftliche Kämpferin gegen Obdachlosigkeit und als Frau, die sich gegen Aids und Landminen engagierte. Ihre Söhne führen seit Jahren ihre Arbeit fort und trafen für die Dokumentation Menschen und Vertreter von Organisationen, die Diana persönlich berührt hat. Ehemalige Weggefährten wie Superstar Elton John, Freunde wie Harry Herbert oder ihr jüngerer Bruder Earl Spencer kommen zu Wort. Und natürlich werden auch die Eheprobleme, der schwierige Umgang mit den Paparazzi sowie die Scheidung behandelt. Kritische Stimmen lässt die Dokumentation dagegen heraus. Vielmehr geht es um das beeindruckende Vermächtnis, das die bei ihrem Tod erst 36 Jahre alte Diana hinterlassen hat. Das gefühlige, wohlwollende Porträt wird vor allem aus der Sicht jener beiden Menschen erzählt, die ihr am nächsten standen und die sie, so wird noch einmal deutlich, über alles liebte: ihre Söhne William und Harry.

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