Luftfahrt Flugpersonal lähmt Billig-Überflieger Ryanair

Berlin/Frankfurt · Vor allem in der kommenden Woche müssen die Passagiere mit zahlreichen Flugausfällen rechnen. Die Sache ist verfahren.

 Zahlreiche Ryanair-Flugzeuge könnten in den nächsten Tagen am Boden bleiben – mitten in der Reise-Hochsaison.

Zahlreiche Ryanair-Flugzeuge könnten in den nächsten Tagen am Boden bleiben – mitten in der Reise-Hochsaison.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

(dpa) Täglich beklagt sich Ryanair im Kurznachrichtendienst Twitter über ausgefallene und verspätete Flüge. Die europäische Kommission müsse endlich etwas unternehmen gegen den Lotsenmangel und die Streiks in den nationalen Flugsicherungen, lautet die Dauerkritik der Iren. Doch deren Kunden müssen in diesem Sommer auch noch diverse Streiks des fliegenden Personals fürchten, das die Hauptreisezeit nutzt, um seine Ziele durchzusetzen.

Ryanair steckt in einem tiefgreifenden Wandel, seit sich Piloten und Flugbegleiter zunehmend in Gewerkschaften organisieren und europaweit vernetzen. Sie setzen sich für höhere Löhne, gegen Leiharbeit und für bessere Arbeitsbedingungen ein. Die einstmals strikt anti-gewerkschaftliche Airline hat sich schon im vergangenen Jahr zu einem Kurswechsel entschlossen und erste Verhandlungen mit den Arbeitnehmern aufgenommen. Für den etwas sanfteren Kurs steht der von Malaysia Airlines geholte Organisationschef Peter Bellew. Zu einem Erfolg haben die seit Wochen auf nationaler Ebene geführten Verhandlungen bislang allerdings noch nicht geführt. Für heute  hat die Fluggesellschaft bereits 24 Flüge zwischen Irland und Großbritannien abgesagt, weil die irischen Piloten bereits ein zweites Mal die Arbeit niederlegen.

In der kommenden Woche wollen sie das auch noch einmal am Dienstag  tun, bevor die Flugbegleiter in Italien, Spanien, Portugal und Belgien am Mittwoch und Donnerstag  folgen. An beiden Tagen hat Ryanair jeweils 300 von mehr 2400 geplanten Flügen abgesagt. Betroffen sind je rund 50 000 Passagiere. Ob deutsche Flughäfen von den Ausfällen betroffen sind, konnte die Airline nicht sagen.

Die scheinbar lokalen Ausstände können jeweils auch Folgen für Passagiere in anderen Ländern haben, denn die Umläufe der Jets gehen natürlich jeden Tag quer durch das Netz. Ein Jet, der morgens in Italien wegen Personalmangels stehen bleibt, kann mittags auch nicht in Deutschland oder England zu einem Folgeflug abheben.

„Der Ryanair droht ein Dauerkonflikt, in dem irgendwo immer gestreikt wird“, sagt Christoph Drescher, Präsident des europäischen Kabinenbeschäftigtenverbandes Eurecca, der einen Teil der Flugbegleitergewerkschaften vereinigt. Dem führenden Billigflieger Europas wird daher seine mittlerweile erreichte Größe mit mehr als 13 000 Beschäftigten und seine kontinentweite Aufstellung mit 86 Basen und 37 angeflogenen Ländern zum Problem. Daher bleibt es nicht aus, dass Ryanair auf eine extrem zersplitterte Gewerkschaftslandschaft trifft. Einkommen und Sozialvorschriften sind nur auf nationaler Ebene tariflich regelbar, andere Themen wie Beförderungspläne oder Einsatzregeln wären wohl am besten auf Konzernebene aufgehoben. Größere Beschäftigtengruppen hat Ryanair in Irland, Großbritannien, Spanien, Deutschland und Italien. Den Managern, so sagt es zumindest Eurecca-Chef Drescher, fehle es dabei noch im erschreckenden Maß an Kenntnissen des jeweiligen Sozialrechts.

In Deutschland stimmen die Ryanair-Piloten in der Vereinigung Cockpit bis zum Ende dieses Monats über einen unbefristeten Streik ab. Ihre Forderungen orientieren sich an den Tarifbedingungen bei den Konkurrenten Tuifly und Easyjet. Bei den deutschen Flugbegleitern balgen sich noch die Gewerkschaften Verdi und Ufo wie bei der Lufthansa um den Vertretungsanspruch. Am Ende wird Ryanair voraussichtlich mit beiden Organisationen sprechen müssen, weil jede einen relevanten Teil des streikfähigen Personals vertritt.

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